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des Geschäftes nicht zu säumen. Es waren aber zwei
wackere Steinmetzen, Hans und Stephan mit Namen, die
hatten das Werk übernommen, also daß der ältere, Hans,
den Bau der Kirche, der jüngere, Stephan, den Bau des
Rathauses zu führen hatte. Beide waren wohlerfahren
in ihrer Kunst, auch in Welschland und sonst mitsammen
bei manchem herrlichen Werk tätig gewesen. Nun führte
sie die Vorsehung abermals zusammen, das erkannten sie
freudig und reichten sich die Hand zu treuer Freundschaft
und schwuren einander sonder Haß und Eifersucht, als
gute Brüder zusammen zu helfen. Weil aber jegliches
gute Werk seinen Lohn will, wenn es guten Fortgang
und rechtes Gedeihen haben soll, so wurde demjenigen
ein Preis zugesprochen, welcher von beiden zuerst sein
Werk, jedoch untadelig und würdig, vollendet hätte. Wollt
ihr wissen, was das für ein Preis gewesen ist? Wohl ein
sonderlicher Preis, nicht von Gold und Silber, noch eine
Ehrenbezeugung — sondern eine Verle, kostbarer als all
dies — des Bürgermeisters schönes, holdseliges Töchterchen.
Es war eine liebreizende Jungfrau, edel von Gemüt,
reich an väterlichem Gut, jedoch reicher noch an Tugenden.
Die beiden Steinmetzen hatten zu gleicher Zeit ihre Augen
auf das Mägdlekn geworfen; dem Vater war's nicht ver
borgen geblieben. Weil aber beide rechtschaffen und kunst
fertige Leute waren, wollte der Bürgermeister nichts da
wider haben, wennj fein Töchterlein den einen oder den
andern zum Bräutigam bekäme, versprach also demjenigen
die Braut, der zuerst mit seinem Bau fertig würde. Nun
war das Bräutlein selbst noch nicht befragt worden, die
hatte sich in ihrem Herzen für den jüngeren Stephan ent
schieden.
Das Glück fügte es auch, daß Stephan zuerst mit
seinem Bau fertig wurde. Noch fehlte die Spitze des
Kirchturms, da stand das Rathaus vollendet da. Der
Wettstreit war entschieden, Stephan sollte die schöne und
reiche Tochter des Bürgermeisters als Braut heimführen.
Das war wohl eine harte Freundschaftsprobe. Hans trug
fein Schicksal ohne Neid und Groll, dem Freunde ergeben
wie zuvor. Aber das konnte Stephan nicht mit ansehen.
Es war ihm nicht wohl dabei, im Glück zu sitzen, während
sein Freund unglücklich war. So ging er traurig und