Volltext: Der Spaßvogel 1935 (1935)

Gebt's doch Obacht — sagt er. 
Eifi Horn schreibt in der Münchener Tele— 
gramm⸗-Zeitung: Ein Motorrad flitzt 
um die Straßenecke in scharfer Kurve, stößt 
mit lautem Krach einen Radfahrer um 
— und drei Menschen rollen, kriechen, kau— 
ern auf der Straße, erheben sich mühsam, 
sehen sich verblüfft an und beginnen, sowie 
sie nur zu Atem gekommen sind, eine heftige 
Debatte, wieso und warum und weshalb 
der Zusammenstoß erfolgt ist. Dem einen 
rinnt aus einer Hautabschürfung Blut 
übers Gesicht, der andere hält sich den 
Arm, und der dritte geht hinkend ein 
paar Schritte auf und ab, und alle dre' 
sind eigentlich überrascht, daß ihnen der 
Kopf oder der Arm oder der Fuß weh tut 
und doch weiter nichts Schlimmes passier! 
ist. Eine minutenlange Auseinandersetzung 
Motorrad kontra Fahrrad hebt an, wo— 
bei einer den andern mit einer gewissen 
Besorgnis fragt, ob er Schmutz in den 
Augen, Watte in den Ohren oder Säge— 
mähl im Hirn gehabt hätte, ob er denn auch 
klingeln, huben, bremsen und fahren könnte. 
Bis der Radfahrer endlich sein verbeultes 
Rad besteigt und davonstrampelt, während 
der Motorradler noch eine Zeitlang beschäf— 
tigt ist, seine Maschine wieder in Ordnung 
zu bringen. 
Der Krach hat eine Menge Zuschauer 
angelockt, die behaglich an der Unfalls— 
sttelle stehen bleiben und gern die Gelegen— 
heit benützen, sich mit Sachkenntnis und 
Wohlwollen, üher Unfälle im allgemei— 
nen und diesen im besonderen auszulassen. 
„Da hätt's nix geb'n, als wie Brem— 
sen vor da Kurvä und Gas geb'n in da 
Kurvä“, verkündet ein Halbwüchsiger, der 
mit dem Zeichen seiner Lehrlingswürde, 
einer längeren, über seiner Schulter schau— 
kelnden Eisenstange, den Umstehenden vor 
den Nasen auf und ab wippt. „Aber der 
Mensch hat ja Gas geb'n vor der Kurvä 
und auskuppelt in da Kurvä, Da muaß'n 
ja hinstrahn — —“ 
„Is no guat nausganga“, meint ein 
älterer Mann gemütlich und allgemein 
tröstend, und steckt sich, gewillt zu länge— 
rem Aufenthalt, eine Stummelpfeife an. 
„Hätt' ja vui mehra passiern könna — 
kunnt'n ja allesamt hi' sein, net — is 
ja noch guat nausganga, net —“ 
Nachdruck verboten! 
„So? Gut nausgangen?“ sagt ein 
besserer Herr höhnisch und schafft sich mit 
scharfer Stimme Gehör, daß sich ein kleiner 
Kreis um ihn bildet. „Gut nausgangen — 
des is ja lachhaft. Mit dera Raserei, dera 
elendiglichn, is ma ja seines Lebns nicht 
mehr sicher. Da heißt's immer, , Fußgänger⸗ 
erziehung', Pfeifadeckkl — da ko ma er— 
zog'n sei, wie ma mag, die fahr'n ein 
einfach übadüba. Was hab i schon an de 
Leit hi'gredt. Leit', hab i g'sagt, „gebts 
doch grad obacht', sag i, er Wahn is,kurz, 
die Reu is lang, sagt man', sag i, „is 
ja euer eigener Schad'n', hab i g'sagt, 
laßt euch doch raten. Nix is — weiter— 
sausen tean ss, de Lappen, wie de obrennten 
Wanzen — —“ I 
„Geh, geh — Lapp'n — i gib da 
glei an Lapp — —“ murmelt ein jüngerer 
Mann ärgerlich — „eahm schaug o — 
wia er aufdrahdeln dat, der ganz ander —“ 
„Wem net zum raten is, dem is aa 
net zum helfen“, fährt der kluge Ratgeber 
fort. „Oiso sag i, was ihr tuats — is mir 
gleich. Meinetweg'n derrent's euch — i 
woaß, was i z'toa hab, und i schütz' mi 
vor Schad'n. Ich, wenn i über d' Straß 
geh — nah schau i z'erscht hi—nauf und 
sacha herunter — da paß i, bis ganz frei 
is — und wenn was kommt, bleib i herobn 
steh — mir is nacha Wurscht, was de 
andern passiert — wer nicht hören wüll, 
muß fühlen, jawoll! — Ja, aber jetzt hab 
ich nicht mehr länger Zeit — es lohnt si 
ja aa net zum hisred'n — —“, und mit 
kurzem Gruß entschreitet er, getragen von 
der Umsicht seiner Grundsätze. 
Aber Weisheit, Grundsätze, Würde — 
und Verkehrserziehung verfliegen vor dem 
Anblick einer eben anfahrenden Tram, die 
er noch zu erreichen wünscht. Er schaut 
weder links noch rechts, weder die Straße 
hinauf noch herunter, er saust mit verrutsch⸗ 
tem Hut blindlings über die Fahrbahn, 
zwingt einen Radfahrer zum raschen Brem⸗ 
sen, rennt eine Frau, die einen großen 
Korb trägt, beinahe über den Haufen, 
weicht eben noch den Rädern eines Post— 
wagens aus und schwingt sich, keuchend, 
aber ein Sieger, auf die schon fahrende 
Tram. J 
Leut', sagt er, gebts doch obacht, sagt 
zr. Beim Fahren natürlich, meinte er.
	        
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