Volltext: Der Spaßvogel 1932 (1932)

Wie der Seppl Huber ein Leben retten 
wollte, und wie es ihm gedankt ward. 
Humoreske von Th. L. Gottlieb. —A 2— 
Nachdruck verbotenn 
Hnter den Burschen des Dorfes galt 
der Seppl Suber, der einzige 
—Sohn eines recht begüterten Bau— 
—exrn, von jeher als etwas be— 
schränkt. Das kam daher, weil er ein wenig 
schielte, auch ein klein wenig schwerhörig 
war und nebenbei noch ein bißchen stot— 
terte. Diese kleinen Gebrechen, die Sepp 
bon Natur aus mit in die Wiege bekam, 
verhinderten aber nicht, daß seine Eltern 
auf ihren Jungen recht stolz waren, denn 
er besaß auch einige recht gute Eigenschaf— 
ten, welche seine Fehler wieder ausglichen: 
er txank nicht, rauchte nicht, spielte keine 
Karten (wie die meisten Burschen seines 
Alters) und —. bandelte mit den Dorf— 
mädchen keine Liebeleien an. Seine Kame— 
raden behaupteten zwar, das käme daher, 
weil er an jedem Mädchen, und sei es 
toch so schön, „dorbeisehe“. Doch das war 
Hänselei, und Seppl, von äußerst fried— 
fertiger Natur, reaggierte darauf nicht. 
Ansonsten aber war er recht anstelli— 
ger Natur, und sein Vater durfte es schon 
wagen, ihn hin und wieder mit, delikaten 
Aufträgen zu betrauen; der Seppl führte 
sie immer anstandslos durch und erntete 
dafür den besonderen Dank des Vaters. 
So begab es sich, daß Seppl eines 
Tages für den Vater, der krank war, in 
die Stadt mußte, um eine dringende 
Steuerangelegenheit in Ordnung zu brin— 
gen. Das tat der Seppl nun um so lie— 
ber, da er sehr gerne in die Stadt ging, 
wo es so biel Neues und, Schönes zu 
sehen gab. Der nahezu dreistündige Weg 
dorthin war ihm nicht zu weit. 
Seppl. Huber machte sich an einem 
heißen Julimorgen auf den Weg, reichlich 
versorgt mit Proviant von der guten Mut— 
ter Hand:Würste, Schinken, Butter, Brot 
— — RSei den Hubers gab es derlei 
Dinge Jahr und Tag. 
Die Landstraße war schrecklich staubig 
und trocken. Kam ein Radfahrer des Wegs 
oder gar ein Automobil, so mußte Seppl 
edesmal eine Viertelstunde warten, bis sich 
die Wolken von Staub verzogen hatten. 
Knapp eine Wegstunde vor der Stadt 
lag ein dichter Nadelwald. Mitten durch 
diesen aber zog ein Fluß sein breites, 
ilbernes Band. Seppl setzte sich hier ein 
Weilchen nieder, zog seinen Proviant, her— 
vor und stärkte sich gehörig. Seppl, liebte 
es, viel und gut zu essen. Dann eilte er 
m Laufschritt in die Stadt, um Vaters 
Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. 
Seppl hatte Glück. Er disputierte am 
Amte mit dem, Beamten ganz nach seiner 
Art, stotterte fest darauf, ‚los und setzte 
— 
daß sie ihm wirklich einen Betrag (nicht 
O groß, wie der Vater gehofft) von der 
chuldigen Summe abstrichen.— 
Seppl eilte freudestrahlend von dan— 
nen. Er hatte heute keine Augen, für den 
Reiz des Stadtlebens, das ihn sonst im— 
ner so angezogen hatte. In kaum einer 
Viertelstunde hatte er die Stadtmauern 
m Rücken und eilte dem Walde zu, sich 
enes Plätzchen zu suchen, wo es ihm so 
ausnehmend gefallen hatte. Und er fand 
es. Wohlig aufatmend streckte er sich unter 
ꝛinem mächtigen Baum mit breitausladen— 
den Aesten ins Gras. Das leise Mur— 
neln des Wassers war dem vom Schweiß 
dampfenden jungen, Mann eine zu große 
Verlockung: nach einigem Ueberlegen zog 
er sich die Kleider vom Leibe und huschte 
die Böschung hinab — hinein ins Wasser. 
Ahhhhh! —, Wie das wohl tat! Wie 
köstlich das erfrischte! Seppl plätscherte wie 
ein bleierner Fisch eine gute Viertelstunde 
lang in den kühlen Fluten, schluckte guch 
ein paarmal tüchtig Wasser. Dann stieg 
ex ans Ufer. Durst hatte er keinen mehr. 
Dafür aber um so größeren — Hunger. 
Und er fiel über seinen Mundvorrat her 
wie ein Gieriger, schlang und kaute, his 
ex, bis zum Uebermaß gesättigt, sich ins 
Gras hinlegte und zu schlummern begann, 
ohne im geringsten zu bedenken, daß er
	        
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