Volltext: Der Spaßvogel 1927 (1927)

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„Veritas veritatis! Das ist überwälti— 
gend wahr!“ pflichtet der Philologe bei. 
„In Wirklichkeit nehme ich natürlich 
nur zehn Lose“, schwächt der Mathematiker 
sein Elogium auf die Wahrscheinlichkeits⸗ 
rechnung ab. „Dabei kann es möglich sein, 
daß ich zehn Treffer bekomme, aber es kann 
auch der Fall eintreten, daß ich lauter Nul⸗ 
len ziehe. 
„Das Dutzend Lose nur eine Mark!“ 
slötet das Fräulein und hält den Profes⸗ 
sdren die Urne hin. „Wählen Sie mit der 
Linken, meine sehr verehrten Herren. Die 
Linke ist die Glückshand.“ 
„Nicht daß ich wüßte!“ belehrt der Ma— 
hematiker mit der Hornbrille. „Inwiefern 
soll die Linke mit der Wahrscheinlichkeits— 
pung in kausalem Zusammenhang ste— 
en?“ 
Und er fingert mit der Rechten sein 
Dutzend Lose aus der Urne. Nichts auf der 
Welt ist so eigensinnig und unbelehrbar, so 
berstockt wie ein Mathematikprofessor. Diese 
alte Erfahrung bestätigt sich mir von neuem. 
Aber das Losfräulein wendet sich jetzt 
wieder an mich: „Kommen Sie doch, schö— 
ner Herr, Sie haben sicher Glück!“ Ein 
Mensch, der keinen Knopf Geld in der Tasche 
hat wie ich, ist unter Umständen noch ver— 
stockter wie ein Mathematikprofessor. Ich 
weigere mich hartnäckig, ein Los zu kaufen 
und sehe lieber den beiden Schulmännern 
zu, die soeben ihre Röllchen mit gespannte— 
ster Aufmerksamkeit entfalten. 
Und schon rächt sich der Starrsinn des 
Mathematikers. Er hat lauter Nullen gezo— 
gen mit seiner Rechten. Verärgert nimmt er 
nocheinmal ein Dutzend Lose und gewinnt 
damit einen Nudelwalker, während sein Kol— 
lege von der klassischen Philologie einen 
Zahnstocherbehälter im Jugendstil erlost. 
Während sich die beiden Herren in wei— 
teren Ausführungen über die Wahrscheinlich— 
keitsrechnung ergehen, fesselt meine Aufmerk— 
samkeit ein Waldbüblein, etwa zehnjährig, 
das barfuß um die Schaubude mit den hun— 
derterlei Gewinnen geht, bis seine Augen am 
Haupttreffer haften bleiben, dem wunderschö— 
nen Fahrrad im Werte von zweihundert 
Mark. 1 
Im goldenen Lorbeerkranz leuchtet auf 
dem Sitz die Losnummer 7143. 
Armes Büblein, denke ich mir, dir bleibt 
det Schnabel sauber. Denn erstens hast du, 
ebenso wie ich, kein Geld, und zweitens hast 
du keine Ahnuͤng von der Wahrscheinlichkeits— 
rechnung, und drittens bist du weder ein 
schöner“ Herr wie ich noch ein „sehr ver— 
ehrier“ Herr wie die beiden Professoren. 
Die Losverkäuferin würdigt dich keines Blik— 
kes. Siehst Du? 
Da nestelt das Büblein zu meiner Ueber— 
raschung einen Zehnernickel aus dem Westen⸗ 
läschlein, dreht ihn in der Hand und steckt 
ihn wieder eiml. 
Und schaut wieder nach dem Fahrrad 
mit der Nummer 7143 im goldenen Lorbeer— 
kranz. Eine magische Zauberbahn geht von 
den Augen des Knaben zum Haupttreffer 
Nummer 7143. Jetzt nestelt er den Nickel 
wieder aus der Westentasche, nimmt ihn fest 
in die Faust und stürmt damit zum Podium 
des Glückshafens empor. 
„Was willst denn Du?“ fragt das 
Losfräulein verblüfft. Denn solche barfuße 
Waldbüblein haben erfahrungsgemäß noch 
kein Geld, am allerwenigsten für einen 
Glückshafen. IJ 
„Gib mir ein Los für mein Zehnerl!“ 
fordert der Junge keck. 
„Da schau her, ein Zehnerl hast Du?“ 
wundert sich das weißblusige Fraͤulein mit 
sanftem Augenaufschlag und gibt dem Buben 
das nächstbefte Los aus dem Napf. 
„Wie steht es mit der Wahrscheinlich— 
keitsrechnung mit nur einem Los?“ fragt 
jetzt der klassische Philologe mit dem fuchs— 
roten Knebelbart seinen Kollegen mit der 
Hornbrille. 
Bei nur einem Los? Sehr einfach. An— 
genommen, es sind tausend Treffer und fünf— 
dausend Lose, dann ist die Aussicht dauf 
einen Gewinn eins geteilt durch fünftausend 
oder O,0002, also weniger als Null. Mit 
einem Los kann man, streng mathematisch 
genommen, gar nichts gewinnen.“ 
Indes entfaltet der Junge das Losröll— 
chen. Ich gucke ihm über die Schulter und 
sehe, daß er einen Treffer hat. Die Wahr— 
scheinlichkeitsrechnung ist wieder einmal Lü— 
gen gestraft.
	        
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