Volltext: Der Spaßvogel 1921 (1921)

sie ein deutscher Assessor beneiden könnle, 
vorschußzweise halb verbraucht. Immerhin 
erinnert sich Hedwig, daß Alfred es gerne 
sieht, wenn sie sich abends nett macht. Sie 
wählt das lichtblaue Kleid, das er so gerne 
zu ihrem Blondhaar sieht, und schmückt die 
Tafel mit Blumen.— 
ESieben Uhr. Sedwig öffnet die Lä— 
den, um der Luft den Weg freizumachen, 
und schaut auf die nach Rio führende Straße. 
Sie hat mit ihren Ge⸗ 
sühlsregungen abge— 
rechnet und wird Al—⸗ 
fred das Serz nicht 
chwer machen. Wenn 
ter nur bald käme! 
Sie hat noch so sel—⸗ 
ten warten müssen. 
Ihr Mann ist darin 
sehr rücksichtsvoll. 
Aber gerade heute 
wird es ihr schwer. 
Merkwürdige Men— 
schen, diese Brasili— 
aner, die nicht ein⸗ 
mal am heiligen 
Abend die Geschäfte 
ruhen lassen können! 
Ach, Hedwig erinnert 
sich, daß sie ja nicht 
in Deutschland wohnt 
— . Es wird ihm 
doch nichts zugestoßen 
sein! Es passieren so 
viele Autounfälle... 
Oder vielleicht ist wie— 
der Meuterei qausge— 
brochen, und er ist 
in einen Menschenauf—⸗ 
lauf geraten, wie da⸗ 
mals der junge Eng— 
länder. 
Aufgeregt jagt sie 
Elena zum RKonsul, 
und läßt nach der 
Stadt telephonieren. 
Der Verwalter hat 
den Herrn noch vor kurzem gesehen, wie 
er mit einem Herr am Arm die Treppe 
herunterging; es kann ihm nichts ge— 
schehen seinn.... 
Sedwigs weiche Stimmung ist verflo⸗ 
gen. Wahrscheinlich ist er wieder mit dem 
übermütigen Offizier von der Kriegsschule 
ausgegangen, der ihn immer zu kleinen 
Nachtschwärmereien verleiten eill. und ver— 
zißt darüber, seine Frau! Und sie gyt 
hier allein, sie, die ihm Heimat und Fa— 
milie geopfert hat, die gerade jeßt durch 
ihren schonungsbedürftigen Zustand dop⸗ 
pelte Rücksichtnahme, doppelte Liebe ver 
langen könnte....— 
Elena Itrect ihren Kopf mit den erb— 
sengroßen Similiohrringen herein und mel— 
det, daß der Puter, der heute zu Ehren 
des Tages aus dem eigenen Hühnerhof 
geschlachtet worden ist, längst gar sei und 
nicht länger warten dürfe. Das verbes⸗— 
sert Hedwigs Laune nicht. Was kann 
* denn daran än— 
ern? Sie kann ihreß 
Mann nicht herbei— 
hexen. * 
Acht Uhr; halb 
neun...Länger 
als neun Uhr wil' 
Hedwig nicht warten. 
Sie läßt sich dann al 
lein servieren und 
legt sich früh zu Bette 
Alfred soll doch einse 
hen, daß sie sich 
nicht alles gefaller 
läßt. Sie fühlt sich 
jetzt ganz als Mär— 
tyrerin. Alle lleiner 
Enttäuschungen ihrer 
jungen Ehe, es sind 
— der Wahrheit die 
Shre — sehr wenige, 
wachsen ins Riesen⸗ 
hafte und malen ihr 
ein Zerrbild ihres 
Unglücks. Alfred hal 
schmählich das Ver— 
trauen getäuscht, das 
alle in ihn gesetzt 
das sie bewies, al⸗ 
sie sich ihm zu eiger 
gab: selbstisch, ver— 
gnügungssüchtig, kal 
und rüchsichtslos ist 
er. Das also ist die 
Ehe, die jungen 
Mädchen als Gipfel⸗ 
punttmenschlichen 
Glücds erscheint; sie ist kein junges Gäns— 
chen, das den Gatten immer auf. den Knien 
verlangt; aber diele Vernachlässigung iß 
doch zu starkt. 
Sedwig dreht das Licht im Speise 
immer aus, das sie trotz der Helligkeit 
e angezündet hat, um den Eindrud 
der hübsch geschmüdten Tafel festlicher zu 
machen, und schließt die Türe zu ihren 
Wohnzimmer. Ihr armes vereinsamtens 
Bäumchen kann sie jetzt nicht sehen. Sit 
jert ich in die enifernteste Täe der 
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Sieben Uhr. SHedwig öoffnet die Lä— 
den, um der Luft den Weg freizumachen, 
und schaut auf die nach Rio führende Straße. 
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