Volltext: Der Spaßvogel 1916 (12. 1916)

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Eine Manöverhumoreske von WiHelm -Herbert. 
Nachdruck verboten. 
Kaum je wieder mag eine so seltsame 
Mischung von Aengstlichkeit und Heldensinn 
vorkommen, wie sie m der Brust des Pri¬ 
vatiers Schnäpperle vereinigt war. Er war 
einerseits imstande, vor dem Schließen einer 
Türe, vor dem Niederfallen eines herbstwelken 
Baumblattes zu erschrecken, und hatte doch auf 
der anderen Seite eine geradezu leidenschaft¬ 
liche Vorliebe für alles, was mit dem Sol¬ 
datenleben zusammenhing, für kriegerische 
Schilderung. Schlachtenbilder und Manöver¬ 
szenen. 
Da ihm feine Eltern ein großes Ver¬ 
mögen hinterlassen hatten, und sein Beruf ihm 
Zeit genug gönnte, scheute er nicht vor tage¬ 
langen Reisen zurück, um die Truppen im 
Feld zu beobachten, und sein Höchstes, von 
dem er Monate hindurch in Erinnerung schwär¬ 
men konnte, war der Anblick eines Gefechtes 
im weiten Gelände, wobei er sich aber, dem 
anderen Teile seiner Natur folgend, stets vor¬ 
sichtig in gemessener Entfernung hielt. 
Heute strahlte er schon, als er sich unge¬ 
wöhnlich früh von seinem Lager erhob, jn 
mittelbarer Nähe des eigenen Heimatstädt¬ 
chens sollte ein großes Manöver, eine Schlacht 
mit allen ihren kriegerischen Notwendigkeiten 
stattfinden. Unter den vielen Menschen, die 
bei grauendem Morgen hinauszogen, um sich 
das Schauspiel anzusehen, befand sich auch er. 
Aber er wählte wie immer seine eigenen Wege. 
Schnäpperle ging von dem Grundsatz aus, daß 
der Mensch, wenn er einen geistigen Genuß 
haben sollte, auch vor allem den Leib nicht 
zu kurz kommen lassen dürfe. Er hatte daher 
feinen Rucksack mit erlesenen Sachen ange¬ 
füllt und wanderte so gemächlich einem brei¬ 
ten und langgestreckten Hügel zu, von dessen 
Höhe aus er die Ereignisse verfolgen wollte. 
Manchem anderen wäre dieser Platz viel¬ 
leicht entlegen vorgekommen. Aber Schnäpperle 
liebte, wie gesagt, bei derartigen Ereignissen 
die große Nähe nicht, die allerlei Fährlichkeiten 
und unvorhergesehene Zwischenfälle mit sich 
bringen konnte — und feine beiden guten 
Augen, unterstützt von einem vortrefflichen 
Feldstecher, garantierten ihm auch hier einen 
reichlichen Genuß. 
So liefe er sich denn behaglich auf dem 
Hügel im Gras nieder. Weit und Breit war 
keine Menfchenfeele. Die Sonne, die während 
seiner Wanderung heraufgestiegen, strahlte eine 
angenehme Wärme aus, unb üBer die ©Bene 
hin sah man bie Truppen ausmarschieren und 
gegen den Feind heranrücken, der sich in bett 
Dörfern zur linken Seite festgelegt hatte. All¬ 
mählich kam es dann zum Zusammenstoß und 
an einigen Stellen Bereits zum heftigen Schar¬ 
mützel. Gewehrsalven knatterten. Weiße Rauch¬ 
wolken stiegen auf, und nun mischte sich von 
der Ferne auch das dumpfe Grollen der Ka¬ 
nonen darein. 
So verstrich Stunde um Stunde — die 
Sonne Brannte heißer und der eifrige Be- 
06 achter empfand ein Bedürfnis, sich mit dem 
Inhalt feines Rucksackes näher vertraut zu 
machen. Ein LeBensgenietzer, wie er war. 
hatte er alles sorgfältig vorBereitet. Er packte 
eine große Serviette aus, ordnete Teller und 
Besteck, Pfeffer, Salz und Mostrich sorgfäl¬ 
tig an und ging nunmehr dazu üBer, feine 
LeckerBissen selbst auszubreiten. Da war ein 
köstlich geBratenes Huhn, Butter, Käse, Schin¬ 
ken, einige Wurstwaren. Bei deren Anblick 
jedem Kenner das Herz im Leibe lachen mußte. 
Eine vortreffliche Flasche Wein und ein fun¬ 
kelndes geschliffenes Glas vervollständigten 
das Ganze. 
Schnäpperle betrachtete mit Behagen das 
appetitliche Arrangement und ließ sich mit 
einem wohligen Seufzer im Grafe nieder, um 
feine Mahlzeit zu beginnen. 
Aber noch ein Zweiter hatte vollkommen 
unbemerkt die ganzen Veranstaltungen mit 
wachsendem Interesse beobachtet. Hans, ein 
toackeret, gesunder Soldat, der unten am abge¬ 
wendeten Hügelrand in dem Wäldchen lag, 
war jeder Bewegung des Genießers da oben 
mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt. Ihn 
selbst hatte fitan als äußerstes Glied einer 
weit vorgeschobenen Vorpostenkette hierher be¬ 
ordert. falls etwa ja wider Erwarten der
	        
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