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Eine Manöverhumoreske von WiHelm -Herbert.
Nachdruck verboten.
Kaum je wieder mag eine so seltsame
Mischung von Aengstlichkeit und Heldensinn
vorkommen, wie sie m der Brust des Pri¬
vatiers Schnäpperle vereinigt war. Er war
einerseits imstande, vor dem Schließen einer
Türe, vor dem Niederfallen eines herbstwelken
Baumblattes zu erschrecken, und hatte doch auf
der anderen Seite eine geradezu leidenschaft¬
liche Vorliebe für alles, was mit dem Sol¬
datenleben zusammenhing, für kriegerische
Schilderung. Schlachtenbilder und Manöver¬
szenen.
Da ihm feine Eltern ein großes Ver¬
mögen hinterlassen hatten, und sein Beruf ihm
Zeit genug gönnte, scheute er nicht vor tage¬
langen Reisen zurück, um die Truppen im
Feld zu beobachten, und sein Höchstes, von
dem er Monate hindurch in Erinnerung schwär¬
men konnte, war der Anblick eines Gefechtes
im weiten Gelände, wobei er sich aber, dem
anderen Teile seiner Natur folgend, stets vor¬
sichtig in gemessener Entfernung hielt.
Heute strahlte er schon, als er sich unge¬
wöhnlich früh von seinem Lager erhob, jn
mittelbarer Nähe des eigenen Heimatstädt¬
chens sollte ein großes Manöver, eine Schlacht
mit allen ihren kriegerischen Notwendigkeiten
stattfinden. Unter den vielen Menschen, die
bei grauendem Morgen hinauszogen, um sich
das Schauspiel anzusehen, befand sich auch er.
Aber er wählte wie immer seine eigenen Wege.
Schnäpperle ging von dem Grundsatz aus, daß
der Mensch, wenn er einen geistigen Genuß
haben sollte, auch vor allem den Leib nicht
zu kurz kommen lassen dürfe. Er hatte daher
feinen Rucksack mit erlesenen Sachen ange¬
füllt und wanderte so gemächlich einem brei¬
ten und langgestreckten Hügel zu, von dessen
Höhe aus er die Ereignisse verfolgen wollte.
Manchem anderen wäre dieser Platz viel¬
leicht entlegen vorgekommen. Aber Schnäpperle
liebte, wie gesagt, bei derartigen Ereignissen
die große Nähe nicht, die allerlei Fährlichkeiten
und unvorhergesehene Zwischenfälle mit sich
bringen konnte — und feine beiden guten
Augen, unterstützt von einem vortrefflichen
Feldstecher, garantierten ihm auch hier einen
reichlichen Genuß.
So liefe er sich denn behaglich auf dem
Hügel im Gras nieder. Weit und Breit war
keine Menfchenfeele. Die Sonne, die während
seiner Wanderung heraufgestiegen, strahlte eine
angenehme Wärme aus, unb üBer die ©Bene
hin sah man bie Truppen ausmarschieren und
gegen den Feind heranrücken, der sich in bett
Dörfern zur linken Seite festgelegt hatte. All¬
mählich kam es dann zum Zusammenstoß und
an einigen Stellen Bereits zum heftigen Schar¬
mützel. Gewehrsalven knatterten. Weiße Rauch¬
wolken stiegen auf, und nun mischte sich von
der Ferne auch das dumpfe Grollen der Ka¬
nonen darein.
So verstrich Stunde um Stunde — die
Sonne Brannte heißer und der eifrige Be-
06 achter empfand ein Bedürfnis, sich mit dem
Inhalt feines Rucksackes näher vertraut zu
machen. Ein LeBensgenietzer, wie er war.
hatte er alles sorgfältig vorBereitet. Er packte
eine große Serviette aus, ordnete Teller und
Besteck, Pfeffer, Salz und Mostrich sorgfäl¬
tig an und ging nunmehr dazu üBer, feine
LeckerBissen selbst auszubreiten. Da war ein
köstlich geBratenes Huhn, Butter, Käse, Schin¬
ken, einige Wurstwaren. Bei deren Anblick
jedem Kenner das Herz im Leibe lachen mußte.
Eine vortreffliche Flasche Wein und ein fun¬
kelndes geschliffenes Glas vervollständigten
das Ganze.
Schnäpperle betrachtete mit Behagen das
appetitliche Arrangement und ließ sich mit
einem wohligen Seufzer im Grafe nieder, um
feine Mahlzeit zu beginnen.
Aber noch ein Zweiter hatte vollkommen
unbemerkt die ganzen Veranstaltungen mit
wachsendem Interesse beobachtet. Hans, ein
toackeret, gesunder Soldat, der unten am abge¬
wendeten Hügelrand in dem Wäldchen lag,
war jeder Bewegung des Genießers da oben
mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt. Ihn
selbst hatte fitan als äußerstes Glied einer
weit vorgeschobenen Vorpostenkette hierher be¬
ordert. falls etwa ja wider Erwarten der