Volltext: Heimatkunde 1. Heft (1. Heft)

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bracht. Die Inschrift aber lautet: „Hier liegt begraben Sebastian Junger, 
Baumeister und Zimmermann der Kirche, gestorben und Barbara, 
seine Hausfrau, die gestorben ist ..... ." Die zwei punktierten Stellen sind 
leer und glatt, wie wenn der Baumeister Junger noch zu seinen Lebzeiten 
hätte den Stein anbringen lassen, damit später das Sterbedatum beigesetzt 
werde, was aber unterblieben ist. Frösche und Schlangen (Würmer) fänden 
als Symbole der Vergänglichkeit ihre Erklärung. Die Volkssage aber erklärt 
die Abbildung auf diesem Steine in anderer Art. Nach ihr ist der Baumeister 
von der Pfarrkirche abgestürzt. Abends, als sich die Arbeitsleute schon vom 
Kirchenbaue entfernt hatten, bestieg der Meister allein das Gerüste, um Nach- 
schau zu halten. Dabei verunglückte er. Seine Leiche wurde morgens im 
Friedhofe gefunden. Sie lag in einer Pfütze und war mit abscheulichem 
Ungeziefer bedeckt. 
2.Sage über den Einsturz der Pfarrkirche St. Laurenz. 
Auf dem Titelblatte des Kopulationsbuches des Pfarramtes Altheim 
für die Jahre 1738—1784 steht folgender Vermerk: „Ad perpetuam memoriam. 
Der alte Verwalter zu Mühlhamb ist geistlich worden und bat vor ungefähr 
14 Tagen zu Altheim in hiesiger Pfarrkirche außer des Markts primiziert. 
Unter dem Priminzamte ist ein solcher Tumult entstanden, daß viele geglaubt, 
es falle die Kirche zusammen. Einige haben gesehen, daß sich das Gewölbe 
von einander ließ, andere haben geglaubt, es falle das Chor herab. Man 
hat auch sagen hören, daß man eine oder zwei Personen an der Mauer aussteigen 
gesehen. Es ist also der Schrecken so groß worden, daß Leute vom hohen 
Chor auf die unteren Leute herabgesprungen sind. Denen ist zwar so viel 
nicht geschehen; diejenigen aber, auf welche die oberen herabgesprungen, haben 
es am besten empfunden und sind zwei Personen gleich tot geblieben, andere 
sind erdrückt worden, einigen die Arme, anderen die Füße gebrochen. In 
10 Tagen sind 9 Personen gestorben gewesen, denen noch etliche nachfolgen 
werden. In allem sind über hundert Personen plessiert worden, daß die um» 
liegenden Chirurgen genug Patienten bekamen. Ex epist. 26. 6. 1796 
K. M. Cand. reg. R." 
So der Bericht eines Augen- und Ohrenzeugen über die Tatsache der 
Panik in der Pfarrkirche und die vom Aberglauben beeinflußte Meinung der 
Leute. Dieser Vorfall wurde durch Zutaten und Uebertreibungen noch mehr 
aufgebauscht und auch im „Moritaten-Stil" literarisch verwertet. Ein aus 
10 Strophen bestehendes Lied wurde unter der Bevölkerung verbreitet. In 
diesem ist aber das Ereignis unrichtigerweise in das Jahr 1767 verlegt. Dieses 
Poem nun ist die Grundlage der im Volke lebenden Sage geworden, welche 
sich als ein Gewebe von Wahrheit und Dichtung darstellt. Der Inhalt des 
Gedichtes aber ist der: Am 5. Juni, um 10 Uhr, gab es in der Pfarrkirche 
bei St. Lorenzen einen großen Strauß, da die Leute in größter Todesangst 
aus der Kirche zu kommen suchten. Ein neugeweihter Priester, der früher 
viele Jahre als Verwalter mit seiner Frau gehaust hatte, sollte die erste heil. 
Messe lesen. Während des Staffelgebetes entstand in der Kirche ein Getöse, 
daß alle laut aufschrieen. Man glaubte, die Kirche falle ein. Während sich 
die einen verkrochen, drängten die anderen mit großer Gewalt zu dem Aus- 
gange. Die Leute fielen übereinander, mehrere sprangen sogar vom Chore
	        
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