Volltext: VII. Jahresbericht des Mädchen-Lyceums in Linz 1896 (7. 1896)

Patientinnen in den damit verbundenen Polykliniken behandelt werden. In 
Frankreich studierten in: Jahre \8tyo in Paris allein über ^00 Frauen 
meistens medicinische Wissenschaften. In der Schweiz gelten längst die Frauen 
als geistig gleichberechtigt mit den Männern. In Schweden, Nussland, 
Dänemark, Norwegen, in Spanien, Portugal, Italien und Rumänien werden 
die Frauen zu den höchsten Studien anstandslos zugelassen. Nur in Oesterreich 
und Deutschland inacht man noch Schwierigkeiten; aber auch schon in diesen 
Ländern beginnt eine Universität nach der andern die entsprechend vorbereiteten 
Frauen zum Studium zuzulassen. Und viele Frauen habeil diese Studien 
schoil mit dem besten Erfolge absolviert, und zwar in den verschiedensten 
Fächern/ auch in solchen, für welche iiach der bisherigen allgemeinen Ansicht 
das Weib entschiedeil minder befähigt sein soll, iiäinlich in Mathematik, 
Physik und Astroil0inie. Und da will man noch sagen, dass die Frau nicht 
eben so bildungsfähig sei als der Maiin? 
II. Das Bedürfnis der Lrauenbildung. 
Gehen wir über auf die Frage des Bildungsbedürfnisses der Frau. 
Dass ein solches vorhanden ist, zeigen die zahlreichen Mädchenschulen unteren 
und mittleren Ranges (Volks- und Bürgerschulen). Aber auch das Bedürf¬ 
nis, sich eine Bildung anzueignen, die über den Ureis des in der Volks- 
und Bürgerschule Gebotenen hinausgeht, ist in hohem Maße vor¬ 
handen, besonders bei den mittleren und höheren Ständen, für die Tächter 
der Bürger, Beamten, Lehrpersonen und Officiere. In unserem vaterlande, 
in Oesterreich, behilft man sich vorläufig noch mit Fortbildungscursen, die 
den Bürgerschulen angefügt sind, oder mit privatstunden für das eine oder 
das andere Fach oder mit dem Besuche von Vorlesungen, oder man schickt 
die Tochter in ein in- oder sogar — meist mit großen materiellen Opfern — 
in ein ausländisches privat- oder Ulosterinstitut. Nur wenige Orte genießen 
den Vortheil, höhere Töchterschulen oder, wie sie in Oesterreich mit Vorliebe 
genannt werden, Lyceen mit Oeffentlichkeitscharakter zu haben, in welchen 
unter staatlicher Aufsicht von akademisch gebildeten Lehrern ein gründlicher, 
die harmonische Ausbildung aller geistigen Anlagen des Mädchens berück¬ 
sichtigender Unterricht ertheilt wird, viel besser ist es in Deutschland bestellt, 
wo die Zahl der höheren Töchterschulen — wie der später folgende statistische 
Ueberblick zeigen wird — eine ungleich höhere ist. Aber überall ist das 
Bildungsbedürfnis vorhanden, und es wäre geradezu lächerlich, zu behaupten, 
es sei nicht nothwendig, dass die Frau mit dem geistigen und culturellen 
Fortschritte der Menschheit auch vorwärts gehe, dass sie auf dem Standpunkte 
voriger Jahrhunderte stehen bleiben müsse. In einem solchen Falle würde 
man freilich die Frau als minderwertiges Geschöpf betrachten müssen, oder es
	        
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