Volltext: VII. Jahresbericht des Mädchen-Lyceums in Linz 1896 (7. 1896)

Ueber Frauenbildung und Mädchenschulen. 
I. Die Bildungsfäbigkeit der Frau. 
Die Frage der Frauenbildung wird heutzutage immer lebhafter erörtert, 
die Bewegung unter den gebildeten und nach Bildung strebenden Frauen 
wird inuner stärker; dabei sind die Urtheile über die Bildungssä hi gkeit 
der Frau, über das Bedürfnis der Frauenbildung und über die Noth¬ 
wendigkeit der Frauenbildung sehr verschieden. Aerzte, Schulmänner und 
andere Leute, berufen und unberufen, lassen ihre Stimme erschallen und 
veröffentlichen ihre Anschauungen. Wie dies sehr häufig bei einer sogenannten 
brennenden Frage der Fall ist, findet man auch in dieser die widersprechendsten 
und jedes Maß ruhiger Urtheilskraft überschreiteuden Aeußerungen. 
In der Frage über die Bildungsfähigkeit gehen die Urtheile sehr 
weit auseinander. Aerzte, welche sich die Mühe genommen haben, die Gehirn- 
maffen der Frauen und Männer abzuwägen, kommen zu dein Resultate, 
dass die Frau infolge des geringeren Gewichtes der Gehirnmasse auch eine 
geringere geistige Fähigkeit als der Mann besitze. Dies ist vage Theorie. 
Derselben steht die Praxis in den Erfahrungen und Beobachtungen der¬ 
jenigen entgegen, die sich mit der Erziehung und mit dein Unterrichte der 
männlichen uiid weiblichen Jugend abgeben und über die geistigen Leistungen, 
über die Leistungsfähigkeit, über die dabei entwickelte Willensstärke, über Aus¬ 
dauer und Fleiß, über Schärfe und Schlagfertigkeit im Urtheil, über pädagogische 
Anlagen der männlichen und weiblichen Jugend, kurz über Bildungsfähigkeit 
derselben ein objectives, auf jahrelanger Erfahrung sich begründendes Urtheil 
gewonnen haben, und dies sind die Schulmeister. Diese stimmen jedoch der 
weitaus größeren Mehrzahl nach in dem Urtheile überein, dass die geistige 
Befähigung für alle Fächer des menschlichen Wissens bei der Frau ebenso 
groß ist als wie bei dem Manne. Wenn es auch zuweilen vorkommt, dass 
ein weibliches Wesen für dieses oder jenes Fach weniger Begabung zeigt 
als ein männliches, so trifft ja auch der umgekehrte Fall zu. Und wenn 
die Unterrichts-Resultate in Mathematik, Geographie oder Naturlehre an 
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