Volltext: VII. Jahresbericht des Mädchen-Lyceums in Linz 1896 (7. 1896)

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ein französischer Tanzmeister Anstandslehre vortrug, wo an bestimmten 
Tagen òas Schauspielhaus urtò die Oper besucht wurden, wo die Mahl¬ 
zeiten aus den scheinbar feinsten und ausgesuchtesten Gerichten bestanden, 
wo sich die Mädchen an die Befriedigung der höchsten Ansprüche an das 
Leben gewöhnten, dabei aber nichts lernten, was für die Veredlung der 
Seele und für die Praxis des Lebens volt Nutzen gewesen wäre. Das 
Reichsvolksschulgesetz rief die Bürgerschule, auch die Mädchenschule, ins 
Leben; das Lehrziel derselben ist bekannt. Aber diese Schulen entsprechen 
der Gegenwart nicht ntehr und bedürfen einer gründlichen Reform. Warum 
dies bei den Knabenschulen nothwendig ist, brauche ich wohl nicht zu sagen; 
es gehört auch nicht in den Rahmen dieser Schrift, die sich mit der Mädchen¬ 
schule befasst. Den Bedürfnissen ans die Ausbildung der Mädchen aus den 
mittleren und höheren Ständen entspricht sie deshalb nicht, erstens, weil das 
allgemeine wissen, welches sich die Mädchen in dieser Schule erwerben, in 
manchen Fächern nur ein oberflächliches sein kann; zweitens, weil für 
manche Fächer, vor allem deutsche Sprache und Literatur und was damit 
zusammenhängt, ferner für Geschichte, Naturwissenschaften, Gesundheitslehre, 
des jugendlichen Alters wegen (die Mädchen besuchen die 8classige Bürger¬ 
schule bis zum \^. Lebensjahre) das richtige und klare Verständnis noch 
ganz und gar fehlt; drittens, weil ein Hauptbildungsmittel für Mädchett, 
die modernen Sprachen, nur als nicht obligate Fächer und mit einer so 
geringen Stundenzahl in den Lehrplan aufgenommen sind, dass ein nutz¬ 
bringendes Ziel nicht erreicht werden kann (in den meisten Lehranstalten ist 
überhaupt nur das Französische eingeführt); viertens, weil von dem Augen¬ 
blicke an, als den Mädchen z. B. im Zeichnen oder auch in anderen 
Fächern, wie Literatur, das Verständnis mtd der Sinn zu erwachen beginnt, 
der Unterricht aufhört. 
Ich hörte jüngst aus dem Munde eines Fachlehrers der Bürgerschule 
die Aeußerung: „Unsere Aufgabe ist undankbar; wenn die Mädchen Interesse 
und verstättdnis für die Sache zu gewinnen anfangen, treten sie aus der 
Schule aus; das, was sie alt positivem wissen sich erworben haben, ver¬ 
gessen sie wieder; es ist schade um die Zeit, die sie darauf verwendet haben." 
Lsier sind wir nun bei der Frage angelangt: welche Bildungsstätten gibt es 
in der Gegenwart, die für das weibliche Geschlecht eine über den Rahmen 
der Volks- und Bürgerschule hinausgehende Ausbildung gewähren? 
V. Bildungsstätten. 
a) Lehrerinnrn-Bildungsanstalkrn. 
Da gibt es dìe L e h r e r i n n e n - B i l d u n g s a n st a l t e n. Zweck und 
Einrichtung derselben sind bekannt; sie bereiten nt vierjähriger Unterrichts- 
dauer zur Ausübung des (Elementarunterrichtes, wie er au den Volksschulen
	        
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