Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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Kaffee eiligeben!“ (Priessnitz). Wenn es aber möglich ist, wie Kneipp be 
hauptet;, dass man durch innerlichen Gebrauch von Heilkräutlein die Kur 
erfolgreich vereinfachen und abkürzen könne — nun, wozu dann erst der 
umständliche Apparat der Wasseranwendungen? Ein Vergnügen ists für 
viele nicht. Und darum giebts auch viele, die fürs Wasser immer mehr 
Tränklein einsetzen, bis zuletzt die reine Salbaderei übrig bleibt. Das Heil 
liegt für solche Thoren nicht in der Gesetzesbefolgung, sondern im pünkt 
lichen Einlöffeln von allerlei Zaubertränklein aus Dr. Eaustens Hexenküche. 
Dabei sagt der grosse Lebenskünstler Göthe: „Das ist der Weisheit letzter 
Schluss: Nur der verdient die Freiheit und das Leben, der täglich sie er 
obern muss!“ Mir scheint, dass Kneipps Pflanzen-Atlas viel mehr gekauft 
werde, als sein verdienstvollstes Buch: „So sollt ihr leben!“ 
Kneipp erklärt: Er habe jedes Kräutchen, jedes Pulver selbst 
versucht und bewährt gefunden. Ist das menschenmöglich? Nein. 
Kneipp kann doch nicht selbst an allen den Krankheiten und Symptomen 
gelitten haben, wofür er die Unkräutlein als heilsamerkennt! Dass manches 
Pflünzlein angenehm duftet und allenfalls nicht gar so schlecht schmeckt, 
wollen wir ihm glauben; weiter geht unsre Sympathie nicht. Hören wir, 
was für mannigfaltige Heilwirkungen Kneipp einem Mittel schon zuschreibt. 
Er sagt: „Eines der nützlichsten Heilkräuter ist die weisse Lilie. In 
vielen Fällen ersetzt das Lilienöl Arzt und Apotheker. Es ist ein vor 
treffliches Mittel gegen giftige Stiche. Bienen-, Wespen- und Hornissen 
stiche werden schnell damit geheilt. (Auch durch Wasserumschläge!) Bei 
Rheumatismus und Quetschungen reibt (das ist ja doch Massage, die Kneipp 
sonst verwirft!) man die schmerzenden Stellen mit diesem Oel ein; auch bei 
hartnäckigen Geschwüren, bei Wurm im Finger, bei juckendem Ausschlag 
und selbst bei Zahnschmerzen leistet es gute Dienste. Bei Blähungen, 
Bauchschmerzen, Krämpfen werden ebenfalls mit diesem Oel Einreibungen 
(Massage, Vaseline!) gemacht. Das Lilienöl gebraucht man auch innerlich, 
und zwar bei Fieber und Hitze, — einige Tropfen mehrmals täglich auf 
Zucker. (Wer lacht da nicht!) Sogar Brustkrankheiten, Leberleiden und 
Wassersucht heilt das Lilienöl in ausgezeichneter Weise.“ Wie hier das 
Lilienöl, so werden sonst die verschiedensten Tränklein, Pulver und Extrakte 
durch Kneipp zu förmlichen Universalmitteln gestempelt. Und dieser Hokus 
pokus wird selbst von solchen Aerzten praktiziert, die der Rezeptmedizin 
entsprungen sind, und die sich über das berühmte „Ut aliquid fiat“ und 
über das „post hoc“ oft genug lustig gemacht haben! Den Goldsuchern 
und Schatzgräbern unter uns kommt der Heilkräuterglaube sehr zu gute. 
Der Bademeister einer Kneipp-Anstalt hat den Nagel auf den Kopf ge 
troffen, als er mir sagte: „Ach wissen Sie, so ein leeres Bad, so ein blosser 
Guss, die bringen nichts. Hauptsache ist, dass ein Arzt nebenbei sonst 
noch viel verschreibt; denn die Heublumen, das Zinn kraut und alle die 
andern Sachen, die laufen erst ins Geld!“ Ja, die laufen ins Geld, — und 
darauf kommts heutzutage an. Dabei klagt man allgemein, dass die Natur 
heilmethode ihrer Kostspieligkeit wegen nur für die Reichen da sei. Bleibt 
hübsch beim Einfachen, Altbewährten, Wahren und lauft nicht allen Roman 
tikern, Faxenmachern, Industrierittern, Reklamehelden und Bauernfängern 
nach! Seid taub gegen Schlagwörter und Modekuren! 
Ein neuer Weg zur Behandlung der Syphilis durch das 
Naturheilverfahren. 
Von A. Scholta - Freiberg. 
II. 
Dass die von mir gehegten Zweifel über die Heilbarkeit der reinen 
Syphilis durch" das jetzige Naturheilverfahren auch von vielen ehrlichen 
approbierten Naturärzten geteilt oder zum mindesten in Erwägung gezogen
	        
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