Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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auch stets nach der einen Seite ein und nach der andern Seite aus, um sich 
die Atmosphäre nicht selbst zu verunreinigen. Schiller sagt: „"Wer‘den Tod 
fürchtet, hat das Leben verloren!“ Gepriesen sei also die Leichtlebigkeit! 
Wenn ich aber sehen muss, mit welcher Unvernunft viele Menschen auf ihrem 
Kalbfell herumpauken — trotzdem uns die modernen Parzen den Lebenspfaden 
doch ohnedies dünn genug spinnen: so muss mich dies oft im Tiefsten ver 
stimmen und mit Geringschätzung für die Betreifenden erfüllen. Der Heil 
mittelwahn, der ererbte und der an erzogene, steckt uns so tief in Fleisch und Blut 
und bildet bei unserm Handeln so sehr die „Philosophie des Unbewussten“, 
dass wir uns über sein Vorhandensein und über den Umfang seiner Ver 
heerungen gar keine Rechenschaft mehr zu geben vermögen. Wie vielen ist 
die Naturheilmethode förmlich zum Fluche geworden! „Ach was“, suchen sie 
die naturwidrigsten Genüsse zu entschuldigen, „ich darf mir das schon leisten. 
Kommt etwas vor, so habe ich ja das Wasser; das hat mir bis jetzt immer 
geholfen!“ So redet eben nur der Heilmittelwahn, der ins Wasser eine wunder 
bare Kraft hineinlegt; die also, weil sie ein- und zehnmal geholfen hat, auch 
das elfte Mal bestimmt wieder helfen soll. Der von jedem Wahn befreite 
Geist, der Naturweise, würde denken: „Nein, ich lebe vernünftig, denn das Heil 
kommt nicht von aussen, sondern es liegt in mir selbst; ich kann aber nie 
wissen, wie viel Stösse meine Natur verträgt — werde ich doch auch mit 
jedem Tage älter, anfälliger, hinfälliger!“ Indess, wer so redete, der wäre 
auch noch nicht der Freieste der Freien, denn sein Thun wäre immer noch 
gebunden und abhängig von Lohn und Strafe; König wäre aber der, der selbst 
ein verkörpertes Stück unverfälschter Natur darstellte, gar nichts erwöge, 
sondern naturgemäss lebte, weil er* gar nicht anders könnte. Und solche 
Menschen giebt es immer noch. Ihre Lebensweise ist ihnen angewachsen wie 
ihre Haut, sie ist ihre zweite Natur; sie sind Qewohnheitstiere von Geburt an. 
Lernen wir von ihnen! 
Die Gründe, die den Meisten viel näher liegen als die soeben angeführten 
philosophischen und ethischen, sind die physiologischen und wirtschaftlichen. 
Wollte ich auf diesen Punkt näher eingehen, so müsste ich meinen Aufsatz: 
„Warum nehmen wir keine Medikamente?“ aus dem „Gesundheitskalender 1894“ 
fast vollständig wiederholen — das geht nicht an. Um die eigentlichen Medi 
kamente handelt es sich diesmal gar nicht so sehr. Dass diese, weil sie meistens 
Gifte sind, den Organismus schwer schädigen, und dass die Arzneimittelsucht 
dem deutschen Volke jährlich 102 Millionen Mark kostet — das ist allgemein 
bekannt. Kommen wir auf unser engeres Thema zu sprechen. 
In neuester Zeit hat sich eine Richtung in unsrer Bewegung eingenistet, 
die die ungiftigen Kräuter der Naturheilmethode einverleibt, und die diesen 
Glauben verschiedenartig zu begründen sucht. Es sind Stimmen laut geworden : 
dass man alles prüfen und das Gute nehmen müsse, wo man es finde; ja, wir 
Anhänger der alten Schule wurden direkt als Fanatiker hingestellt. Ich für 
meinen Teil habe nichts dagegen, wenn diese „Eklektiker“ alles prüfen, was 
heutzutage auf den heilkundlichen Markt kommt; sie werden sich als frei 
willige Versuchsobjekte bald zu Tode geprüft haben — auch ein Gewinn! 
Sie sollen uns aber damit verschonen, dass das zur Naturheilmethode gehört. 
Der Begriff: was Naturheilmethode ist, steht so fest wie der Gräfenberg dort 
drüben im Altvatergebirge. Er gipfelt in dem weiten Bannkreis unbedingter 
Arzneilosigkeit! 
Oertliche Behandlungen. 
1. Die Magenausspülung. 
, Von A. Orthey-Berlin. 
In all den Fällen, wo es darauf ankommt, den Magen von Schleim, 
von verdorbenen Speisen, von fauligen Speiseresten, von giftigen Stoffen zu 
reinigen, ist eine Magenspülung am Platze. Alle höheren Grade der Magen-
	        
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