Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

Der 
Naturarzt 
Zeitschrift 
des 
Deutschen Bundes der Vereine für Gesundheitspflege 
und arzneilose Heilweise. 
No. 2. Berlin, Februar 1899. 27. Jahrg. 
Um genaue Beachtung der auf dem Titelblatt angegebenen Adressen wird dringend gebeten. 
Aus Wissenschaft und Leben. 
Ueber Arzneilosigkeit. 
Philo vom Waide. 
II. 
Der oberste Glaubenssatz der Naturheilkunde lautet: „Es giebt keine Heil 
mittel, sondern nur eine im Körper wohnende Naturheilkraft — diese gleicht 
alle Gesundheitsstörungen aus. Die Naturheilfaktoren: Luft, Licht, Wasser, 
Diät, Kühe und Bewegung enthalten ebenfalls keine spezifische Heilkraft in 
sich; sie bilden jedoch die einzigen natürlichen Unterstützungsmittel, die der 
Lebens- und Naturheilkraft in gesunden und kranken Tagen zu Hilfe kommen. w 
Es ist doch wohl klar: Wenn es Heilmittel im eigentlichen Sinne gäbe, so 
müssten sie im stände sein, das Leben in jedem Falle zu erhalten und die 
Gesundheit herbeizuführen! Wir wissen aber, ein solches Elixier, wonach die 
mittelalterlichen Alchymisten gesucht haben, ist bis heute nicht gefunden worden 
und wird nie gefunden werden; weshalb es auch kein ewiges Leben auf Erden 
für uns Menschen geben kann. Was dem Einen schon unzählige Male „geholfen“ 
haben kann, das wird ihm eines Tages nicht mehr helfen; weil seine Lebens 
kraft, seine Naturheilkraft diesmal im Erlöschen begriffen ist. Die Menschen 
aber möchten ewig leben, und die meisten wollens nie glauben, dass es mit 
ihnen nun zu Ende sei; namentlich wollen dies die Lebemänner und die Mode 
damen nicht glauben — darum lassen sie kein Mittel unversucht und citieren 
Aerzte und Professoren in Menge herbei. Wie im Leben, so kann man sich 
auch noch im Sterben blamieren. Wenn ich von den „letzten Dingen“ dieses 
und jenes Mannes reden höre, so muss ich oft bei mir sagen: „Logisch, vernünftig, 
gross, weise ist da=s nicht ! u Es giebt Tagesgrössen, die angesichts des Todes 
wahre Jammergestalten darstellen — man sieht, dass sie vielmehr nur Maul 
helden als wirkliche Philosophen gewesen sind. Der wahre Mann wird allzeit 
vernünftig leben und bei Krankheit vernünftig verfahren — nie aber aus einem 
System ins andre verfallen und heut zum ersten Grossstadt-Professor laufen, 
morgen dagegen, weil es immer noch nicht besser geworden ist, irgend eine 
simple Kräuterfrau vom Dorfe konsultieren. Mit dem Ausspruch: „Nützt’s 
nichts, so schadets doch auch nichts; man hat wenigstens seine Schuldigkeit 
gethan und braucht sich keine Yorwürfe zu machen“ — sucht man seine 
moralische Blösse zu verdecken. Es ist ja auch schwer, sich vor der Zudringlich 
keit der ratenden Tanten, Freunde und Nachbarn zu retten; das ist eine 
Tyrannei, die ich in meiner Lungenkrankheit genugsam ausgekostet habe. Was 
dem Einen scheinbar geholfen hat, das soll dem Andern immer auch helfen.
	        
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