Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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Auch muss man wissen, was unter den einzelnen Ausdrücken für Kurformem 
gemeint, und wie diese auszuführen sind. Da Priessnitz ein Mann der That. 
und durchaus kein Mann der Feder war, so darf man sich an diese und 
jene Härte in der schriftlichen Darstellung nicht stossen. In der Praxis* 
nahm sich das alles ganz anders aus als auf dem Papiere. 
Ein besonderer Verehrer der Wasserkur und ein Freund von Priessnitz 
war Graf TaafTe, der Vater des bekannten österreichischen Ministerpräsi 
denten. Im Kursaale zu Gräfenberg hängt heute noch das grosse Kaiserbikb 
in Oel gemalt mit der Unterschrift: „Seinem Freunde Priessnitz. Taaffe. 1850.“ 
Graf Taaffe war in Gräfenberg gewesen und musste die Kur, wegen Mangel.' 
an weiterm Urlaub, in Wien fortsetzen. Es liegen mir drei Briefe von ihm 
vor. Die erste Antwort lautete folgendermassen: „Excellenz! Ihr geehrtes* 
Schreiben vom 18., sowie das vom 20. April (1850), worin Sie mir Ihre- 
Leiden mitteilen, liegen mir vor. Wenn Excellenz die Kur standhaft fort 
setzen, so ist zu erwarten, dass sich der Körper durch die Ausschwitzungen; 
und kleinen Umschläge gänzlich reinigen und zugleich stärken wird. Sind. 
Sie nur für keinen Fall zaghaft, denn Sie werden sich nicht umsonst mit 
dem Wasser plagen! Was die Umschläge um die Waden betrifft, so lassen. 
Sie selbe jetzt noch nicht aus, eher lassen Sie sich bei der Abreibung oder 
beim Anlegen der Umschläge recht fleissig frottieren mit den nassen Händen* 
oder mit dem nassen Tuch, damit die Ausschläge vermehrt, aber nicht 
vermindert werden. Das Vollbad würde Excellenz bei der geistigen Arbeit 
zu viel aufregen. Es wird wohl eine blosse Abwaschung in einer Wanne,, 
worin das Wasser sechs Zoll tief ist und dann sich einen Kübel über 
schütten lassen, besser als das Vollbad sein. Uebrigens machen Excellenz- 
diese Einwickelung wenigstens in der Frühe und, wenn es die Zeit erlaubt,, 
auch nachmittags, so wie Sie es jetzt machen, fort. Wenn das schlechte- 
Wetter jetzt zumal vorübergeht, werden sich Excellenz immer besser und 
besser fühlen und die Lebenskraft nicht ab-, sondern zunehmen. Excellenz: 
erwähnen das Porträt des Kaisers. Dadurch werde ich zu viel in Ihre 
Schuld geraten, und ich weiss nicht, wie ich mich einer so grossen Schuld 
werde entledigen können. Ich wünsche vorläufig, dass Excellenz den 
Körper bald gereinigt hat, um die grossen Schmerzen und die Verstimmung: 
gänzlich vergessen zu können. Von mir und meiner Familie den tiefsten 
Respekt und meinen Handkuss an die Excellenz Gräfin.“ 
Der dritte, von der Hand der Frau Gräfin Taaffe geschriebene Brief* 
stammt, wie ich soeben sehe, vom 11. März 1850. Auch dieser Brief ist 
sehr ausführlich und wurde in folgender Weise beantwortet: „Da sich die 
Krankheitsstoffe nach den Beinen ziehen, um an den Füssen arsgeschieden 
zu werden, was meistens geschieht, wenn die Kraft des innern Körpers 
mehr zunimmt, so glaube ich: es sei am besten, durch acht Tage die drei 
Abreibungen zu nehmen und so auf den Beinen und Knieen die Kur zu. 
verstärken, insofern, als man die Knie und Beine mit kaltem Wasser begiesst 
und sie mit der flachen Hand oder einem Leinenlappen reibt, gegen eine- 
Viertelstunde lang, um möglichst dort den Krankheitsstoff zur Ausscheidung: 
zu bringen. Die Umschläge aber Tag und Nacht umlegen. Je stärker Sie* 
reiben, desto mehr wird der Ausschlag herauskommen und der Stoff sich 
ausscheiden, und nach acht Tagen kann ab und zu wieder wöchentlich, 
zweimal gebadet, die übrigen Tage aber nass abgerieben werden. , Die- 
Füsse können während des Beschüttens auf einem kleinen Schennnel im 
Schaff stehen, wo man das Wasser herausschöpft. Wenn die Kongestionen, 
nach dem Kopfe so stark sind, so müssen kurz nacheinander die Leib 
umschläge gewechselt werden; es ist nicht anders auszuweichen. J Das- 
Jucken in den Beinen giebt die beste Aussicht, dass Seine Excellenz diese- 
fatale, schmerzliche Krankheit um so gewisser beseitigen wird. Vermeiden 
Sie morgens den Gebrauch der angeführten Mineralwässer, die Klystiere 
suchen Sie zu vermindern; eher nehmen Sie ein recht kaltes Sitzbad von. 
*8—10 Minuten, worin Sie den Leib recht durchreiben lassen^ und machen
	        
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