Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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wendige Katheterisieren weg, es fällt stärkere Blasenfüllung und damit ein 
Moment, welches die Entstehung von Gebärmutterverlagerungen begünstigt^ 
weg. — 
Der bei weitem grösste Vorteil jedoch, welchen wir bei einem früh 
zeitigen Verlassen des Bettes nach der Geburt beobachten können, besteht 
in der allmählichen Uebung und Benutzung der Muskulatur des Körpers 
und in der Unterstützung, welche die Blutzirkulation und die Herzthätigkeit 
dadurch erfährt. So kommt es nicht zu der Muskel- und Herzschwäche,, 
welche der nach einer wochenlangen Bettruhe endlich aufstehenden» 
Wöchnerin eigentümlich ist. 
Ueber Pollutionen. 
Jul. Müller, Naturheilbad, Frankfurt a. 0. 
Unter denjenigen Krankheiten, welche hauptsächlich das männliche! 
Geschlecht betreffen, ist besonders die sexuelle Neurasthenie zu nennen. 
Ein Symptom derselben sind die unfreiwilligen Samenverluste (Pollutionen). 
Nicht immer sind Pollutionen eine krankhafte Erscheinung, sie kommen 
auch von Zeit zu Zeit bei gesunden Individuen vor; dies geschieht jedoch 
nur nach langen Zwischenpausen und der betreffende Mann fühlt sich 
darnach wohl und kräftig (tonische Pollutionen). Krankhaft sind dieselben 
nur, wenn sie häufiger sich einstellen und ein Gefühl der Schwäche zurück 
lassen. Viele junge Männer werden über diese Erscheinungen hypochon 
drisch und bieten sich den Geheimmittelkrämern als lohnende Ausbeutungs 
objekte dar. Es giebt jedoch keine Mittel, welche irgendwie den Zustand 
günstig beeinflussen könnten. Die einzige Möglichkeit der Heilung bietet 
eine körperliche - und seelische Kräftigungskur. Sehr oft ist die letztere 
wichtiger als die erstere, weil die Kranken von sinnlichen Vorstellungen 
geplagt werden und vergebens dagegen ankämpfen. So lange aber mit oder 
wider Willen Gedankenunzucht getrieben wird, ist eine Heilung selbst 
verständlich ausgeschlossen, weil die überreizten Geschlechtsnerven der 
notwendigen Buhe und Erholung entbehren. Hier muss zunächst Wandel 
geschaffen werden und dies bildet den schwierigsten Teil der Behandlung. 
Angeerbte Triebe, durch Gewohnheit mächtig gewordene Leidenschaften und: 
Geschlechtsabnormitäten spielen dabei eine Bolle. 
Werden die Pollutionen durch geeignete Massnahmen nicht reduziert,, 
so stellen sich allmählich bei dem Kranken die Zeichen der vollständigen 
Entkräftung ein. Er fühlt sich anfänglich nur unmittelbar nach den Ergüssen 
matt und unfähig zur Arbeit; nach und nach werden diese Gefühle dauernd. 
Mit sich selbst zerfallen, misstrauisch und leicht reizbar gegen andere,, 
zieht sich der Patient vom Verkehr aus der Gesellschaft zurück, um für sich, 
allein verzweiflungsvollem Grübeln nachzuhängen oder gar in nicht wenigen 
Fällen, Selbstmord zu begehen. 
Zur erfolgreichen Behandlung der Pollutionen ist zunächst die Willens 
kraft zu heben und den Bemühungen des Kranken eine feste Bichtschnur 
zu geben. Hierbei ist neben persönlichem Einflüsse des Arztes das Lesen 
guter Bücher, wie Feuchtersieben, „Zur Diätetik der Seele“ und Schopen 
hauer, „Aphorismen zur Lebensweisheit“ sehr nützlich. Manche Köpfe 
werden dadurch vollständig umgewandelt und lernen einsehen, dass es noch 
höhere als grobsinnliche Genüsse giebt, welche ihnen bisher als das Höchste 
galten. Zur weiteren Willensbildung sind regelmässige heilgymnastische 
Uebungen zu empfehlen. Dieselben sind entweder ohne Geräte oder mit 
leichten Hanteln auszuführen, andere Hilfsmittel sind dabei überflüssig. 
Turnen am Beck und Barren, Kraftübungen mit schweren Gewichten haben 
keinen besonders günstigen Einfluss. Dagegen ist Tiefatmen im Freien,. 
Spazierengehen mit kurzen Strecken Laufschritt von vorzüglicher Wirkung.. 
Dabei ist stets die Herrschaft über die Gedanken anzustreben.
	        
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