Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

220 — 
■(== 1 kg) Wasser um 1 Grad zu erwärmen, nimmt man als Masseinheit an 
und benennt sie mit dem Namen: Wärmeeinheit oder Kalorie. 
Wenn also z. B. 1 kg Wasser etwa von 12° auf 27° erwärmt werden 
soll, so sind hierzu 15 Kalorien nötig, bei 4 kg wären 60 Kalorien not 
wendig. Umgekehrt giebt eine Wärmflasche, die mit 3 Liter siedendem 
Wasser (100° C.) gefüllt und in ein Bett gesteckt wird, soviel mal drei 
Kalorien an das Bett ab, als das Wasser allmählich an Temperaturgraden 
.abnimmt. Hat es zuletzt noch 30°, so wurden also 210 Kalorien abgegeben. 
In gleicher Weise wurde nun auch der Heizwert der Nahrungsstoffe 
bestimmt und man fand, dass z. B. 1 kg Traubenzucker, der voll 
ständig zu Kohlensäure und Wasser verbrennt, 3277 Kalorien liefert. Aehnliche 
Ergebnisse liefern die anderen Zuckerarten. 
Eine bedeutend höhere Wärmemenge wird dagegen bei der Ver 
brennung der E e 11 e erzielt, wo sie das dreifache beträgt. Hiernach könnte 
•es scheinen, das Fett besitze als Nahrungsmittel einen dreifach höheren 
Wert als der Zucker und als das Stärkemehl, welches im Körper (zuerst 
in Dextrin und dann ebenfalls) in Zucker umgewandelt und als solcher ver 
brannt wird. Dies stimmt jedoch mit den physiologischen Ergebnissen nicht 
überein. Der Grund hierfür ist zunächst darin zu suchen, dass das Fett 
dem Körper eine viel grössere Verdauungsarbeit zumutet und diese muss 
natürlich von dem Nährwert abgezogen werden. Dann aber ist es auch 
möglich, dass die Wärmeerzeugung bei der Verbrennung im Körper (die 
man als Gärungsvorgang betrachten kann) eine andere ist, als ausserhalb 
desselben. Jedenfalls darf der Nährwert des Fettes kaum doppelt so hoch 
angeschlagen werden, als derjenige der Kohlenhydrate. (Ranke nimmt das 
Verhältnis wie 170:100 an.) 
Auch das Eiweiss liefert bei seiner Zersetzung Wärme. Wird es 
ausserhalb des Körpers verbrannt, so giebt es nahezu die doppelte Wärme 
menge des Zuckers (Verhältnis 5:3). Es wäre jedoch hinwiederum weit 
gefehlt, wollte man seinen Nährwert in dieser Höhe ansetzen. Das Eiweiss 
wird nämlich im Körper nicht vollständig verbrannt, sondern es werden 
durch die Nieren im Harne Stoffe (Kreatin, Kreatinin, Harnsäure, Hippur- 
«äure u. s. w.) ausgeschieden, die bei ihrer weiteren Verbrennung noch be 
trächtliche Wärmemengen liefern. Bedenkt man dabei noch, dass die Aus 
scheidung dieser Stoffe den Nieren eine bedeutende Arbeitsleistung auflädt, 
und dass bei ungenügender Ausscheidung eine Ablagerung dieser Stoffe im 
Körpergewebe stattfindet, was zu Gicht und [Rheumatismus führen soll, so 
muss sofort einleuchten, dass das Eiweiss nur im Notfälle als Heizmaterial 
in Betracht kommen sollte. Es ist in erster Linie Baumaterial und aus 
diesem Grunde haben wir als eigentliches Heizmaterial nur die Fette und 
Kohlenhydrate aufgeführt. 
Eigentlich müsste hierbei auch noch die Zellulose, d. h. der die 
Zellenwände bildende Stoff, genannt werden, den wir in den Schalen und 
Häuten des Obstes und der Hülsenfrüchte und in den grünen Gemüsen vor 
uns haben, da sie von kräftigen Verdauungssäften auch teilweise in Zucker 
übergeführt wird; allein bei ihrer schweren Verdaulichkeit kommt sie als 
Heizstoff nur wenig, dagegen mehr nur als Füllstoff und mechanisches [Reiz 
mittel in Betracht. 
Die Heizmaterialien des Körpers nehmen also nach ihrer Wärme 
ergiebigkeit folgenden Rang ein: Fett, Kohlehydrate, Eiweiss, Zellulose, und 
zwar liefert 1 Gramm Fett 7- bis 8 Wärmeeinheiten, 1 Gramm Kohlehydrat 
3 bis 4 und ebensoviel 1 Gramm Eiweiss; das Fett liefert also doppelt 
soviel als das Kohlehydrat und als das Eiweiss. Dieses wissenschaftliche 
Ergebnis entspricht der längst bekannten Erfahrung des Volkes, bei dem 
„kräftige“ Kost soviel bedeutet als „fettreiche“ Kost und die sich in dem 
Sprüchwort aus drückt: 
A habernes Ross und an g’schm alz enen Mann 
Die reisst kei Teufel z’samm.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.