Volltext: Der Naturarzt 1899 (1899)

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nichts ähnlicher, als wiederum Blut und somit erschien als zweckmässigste und 
beste Nahrung das Blut. Wie alt diese Anschauung ist, ersieht man aus 
der bekannten Blutsuppe der Spartaner und man kann gegenüber der reinen 
Fleischkost ihr eine gewisse Berechtigung nicht versagen. Das Blut enthält 
in erheblich grösserem Masse die zur Knochenbildung unentbehrlichen Bestand 
teile, sowie die zur Kohlensäureabgabe nötigen Natronsalze. Wo man also 
.auf rein tierische Nahrung angewiesen ist tliut man jedenfalls klug daran, 
■auch das Blut mit zu gemessen. Schon Leigh Smith liess auf seiner Polar- 
-expedition 1851, als sein Schiff vom Eise zerquetscht' und er mit seinen 
Gefährten gezwungen war, zehn Monate lang fast ausschliesslich von der Jagd 
beute zu leben, auf Dr. Neale’s Vorschlag die Tiere gut ausbluten, das ge 
frorene Blut aufbewahren und täglich ein Pfund davon zur Suppe verwenden. 
Gewiss ist es dieser Vorsichtsmassregel zuzuschreiben, dass die Expedition 
ohne Krankheitsfall blieb. Auch bei Nansen lesen wir, dass er in ähnlicher 
Weise gewirtschaftet hat. 
Einen Schritt weiter geht man, wenn das Blut wie auch das Fleisch un- 
zubereitet genossen wird. Kohes, geschabtes Fleisch gilt als ganz besonderes 
Kräftigungsmittel, und Blutarme,- bleich süchtige Personen werden nicht selten 
in Schlachthäuser geschickt, um dort lebenswarmes Blut zu trinken. Ludwig XI. 
von Frankreich hat auf Anraten seines Leibarztes sogar das Blut von Kindern 
getrunken. 
Von hier aus wäre der Schritt nur noch ein kleiner bis zur konsequentesten 
Durchführung des Aehnlichkeitsprinzipes: dem Kannibalismus. Bekanntlich ist 
auch diese Verirrung dem Menschengeschlechte nicht erspart geblieben und bis 
auf den heutigen Tag lesen wir noch häufig genug Fälle, dass Wilde ihre 
gefangenen Feinde oder gestrandete Fremde auffressen. Der Mensch gehört 
hiernach zu den wenigen Geschöpfen, die vor dem Verzehren der Angehörigen 
der eigenen Gattung nicht zurückschrecken. 
In dem Masse aber, in welchem die Völkergesittung zunahm, wurde auch 
von diesem Extrem zurückgewichen und die ältesten Kulturvölker haben schon 
längst als sittliche und religiöse Forderung sogar die völlig unblutige Diät 
aufgestellt, also vollständige Enthaltung von aller dem getöteten Tiere ent 
stammenden Nahrung. Bekanntlich wachsen auch in unserer jüngeren, abend 
ländischen Kulturwelt die Stimmen derer, welche die reine Pflanzennahrung als 
Ideal verkünden und wenn die grosse Masse sowie zum grossen Teil auch die 
offizielle Wissenschaft sich vorläufig noch ablehnend dagegen verhalten, so wird 
doch wenigstens nicht mehr versucht, diesen vermeintlichen Irrwahn als 
gemeingefährlich mit dem Schwerte auszurotten, wie dies noch unter Heinrich HI. 
geschah. 
Neben den ethischen Gründen werden aber auch nationalökonomische und 
seit Cuvier (den der Anti-Vegetarier Prof. Virchow als höchste Autorität in 
der vergleichenden Anatomie bezeichnet) in nachdrücklichster Weise sogar 
wissenschaftliche Gründe für die reine Pflanzenkost ins Feld geführt. Man 
hat berechnet, dass eine bestimmte Bodenfläche über 10 mal mehr Pflanzen 
esser ernähren könne, als Fleischesser, und daraus geschlossen, die rapide 
Bevölkerungszunahme werde mit Naturnotwendigkeit zur Pflanzenkost hin 
drängen. Eine Bestätigung hierfür kann man auch wirklich in den dicht 
bevölkerten Grossreichen des Ostens finden. 
Die wissenschaftlichen Gründe, welche für die Pflanzenkost angeführt 
werden, sind kurz folgende: Die Kaubtiere oder Fleischfresser (Karnivoren) 
haben lange, spitzige Eckzähne zum Ergreifen und Festhalten der Beute; ihre 
Backenzähne sind mit Spitzen versehen, die dicht aneinander vorübergehen, da 
der Unterkiefer keine Seitenbewegungen machen kann. Die Grasfresser 
(Herbivoren) und Fruchtfresser dagegen haben solche Backenzähne, die oben 
breit sind und die, weil die Unterkiefer seitwärts bewegt werden können, zum 
Zerreiben der Nahrung und nicht, wie bei den Kaubtieren zum Durch 
schneiden der Muskelfasern dienen.
	        
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