Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Zum Kampfe gegen Modegifte und 
Modethorheiten. 
Was isl hygienischer, Beinkleider zu tragen oder nicht? Autoritäten auf 
unserem Gebiete sind dagegen, doch meine ich, kann solche Ansicht nur 
von Männern vertreten werden, die nicht selbst empfinden können, wie 
nachteilig es für den Unterleib ist, wenn bei schlechter Witterung der Wind 
die Eöcke aufblässt und der Unterleib der Zugluft ausgepetzt ist. Wie un 
angenehm ist es, wenn bei längerem Aufenthalt im Freien die Kälte und 
Feuchtigkeit langsam an den Beinen hinaufsteigt, dass man bis ins Mark 
hinein friert, wenn man die schützende Hülle, die Beinkleider entbehrt. In 
griechischen Gewändern können wir in unserem Klima nicht umhergehen, 
und so gut wir die Füsse und Beine mit Stiefeln und Strümpfen bedecken, 
den Kumpf bekleiden, die Arme umhüllen, den Kopf gegen Sonnenbrand 
und Kälte schützen, mit viel grösserer Berechtigung kommt dies dem Unter 
leib zu, der so leicht veranlagt ist, Krankheiten entstehen zu lassen. Darum 
Beinkleider und möglichst ganz geschlossen, nicht nur der Gesundheit halber, 
sondern auch aus ästhetischen Gründen. Ich habe mehrere Male schon 
Damen in belebten Strassen hinfallen sehen und zwar so unglücklich, dass 
die Beine in die Luft ragten. Wie gross wäre die Beschämung für sie gewesen, 
wenn sie keine Beinkleider angehabt hätten. Weiter bedarf ich wohl nichts zu 
Gunsten des schon so viel besprochenen Beinkleider-Thema’s hinzuzufügen? Welche 
Stellung nehmen nun die Gegner dieses Gegenstandes heim Tanzen, Kadfahren 
und Schlittschuhlaufen ein? oder bestätigen auch hier die Ausnahmen die Kegel? 
Wenn man mit Engelszungen predigte, das Korset wird doch nicht ab 
geschafft. Mag das Korset einen noch so schönen Kamen haben, und wenn er 
noch so gesundheitlich klingt, es wirkt schädlich auf den Organismus, wenn es 
fest sitzt; legt man es aber so lose an, dass man bequem darin atmen kann, 
nun so ist es eben zwecklos, so dass man ohne dasselbe eine bessere Taille hat. 
Die Keform- und Gesundheitskorsets (Büstenhalter) sind zu empfehlen hei 
-solchen Frauen, denen man das Korset ahgewohnen will. Die Frauen können 
sich anfangs nicht an den Gedanken gewöhnen, ohne Korset zu sein, und darum 
benutzt man sie als Uebergang; nach und nach werden diejenigen, denen daran 
liegt, gesund zu sein, selbst so gescheid, zu empfinden, dass es ohne Korset 
ganz gut geht, dass eine leichte Untertaille ohne Fischbein und Stahlstangen 
genügt, so dass man hei einem gut gearbeiteten Kleide ohne Korset ganz chic 
aussehen kann. Tausende junger Mädchen sind heutigentags krank, wo die 
Ursache einzig allein durch das Schnüren hervorgerufen worden ist. Das 
Schnüren verhindert die Blutzirkulation, presst die Lungen zusammen, drückt 
den Magen und die Leber aus ihrer Lage, und diese bringen dadurch wieder 
die tiefer liegenden Teile, die Unterleihsorgane, zu Verlagerungen. Nach und 
nach erschlaffen diese Teile, funktionieren nicht mehr und werden krank. Darum, 
Mütter schützt Eure Töchter vor derartigen Leiden, nicht etwa durch Keden, 
was nie etwas nützt, sondern durch genaue Beobachtung und Untersuchung 
beim Ankleiden, ob man bequem zwischen Körper und Korset oder Taille die 
Hand hineinschieben kann, während dabei tief* geatmet wird. Gelingt dies, so 
kann man ohne Sorge sein, dass dergleichen nachteilige Zustände entstehen. 
Hohe, fest anschliessende Stehkragen stören die Blutzirkulation, führen zu 
Kopfschmerzen, Halskatarrhen und Anschwellung der Schilddrüse (Kropf). Man 
sieht öfters diese 3—4 fach gefütterten Stehkragen so eng anschliessend, dass 
man zwischen Hals und Kragen nicht vermag den Finger zu legen, nicht einmal 
ordentlich schlucken kann, und doch wird dies trotz aller Unbehaglichkeit ge 
duldig ertragen, weil es eben Mode ist. Kann man sich etwas unvernünftigeres 
denken, als an einem leichten, dünnen Kleide oben am Hals eine 4—5 Finger 
breite Binde, so steif, dass man den Kopf kaum bewegen kann? Dass durch 
diese ungleiche Verteilung der Kleidung Katarrhe entstehen können, ist er 
klärlich. Viele Damen sehen ganz rot im Gesicht aus, weil der Halskragen
	        
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