Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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liier noch einige mahnende Worte des bekannten Gesundheits-Schrift- 
Ateliers W. Siegert Platz finden, die er den Lehrern zuruft: 
„Da Scharlach ansteckt schon zu einer Zeit, in der sich diebe 
treffenden Patienten nur unwohl fühlen, sollten die Lehrer deshalb 
IGncler, die sich nicht wohl fühlen, sofort vom Unterricht ausschliessen. 
Unter allen Umständen hat das zu geschehen, wenn eine Epidemie 
am Orte herrscht. Gerade in dem Umstande, dass erkrankte Kinder, 
die zunächst oft nur an Kopfdruck, Benommenheit, Schnupfen, Husten 
leiden, noch tagelang die Schule besuchen, liegt die Gefahr für die 
Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten durch die Schule. Das 
Schliessen der Schule zu einer Zeit, wenn schon ein Drittel der 
Schüler erkrankt ist, hat viel weniger Wert als die vorbeugende 
Massnahme, krankheits verdächtige Kinder vom Schulbesuche 
.auszuschliessen. Der aufmerksame Lehrer wird fast immer und bald 
herausfinden, welche Schüler sich nicht wohl befinden. Und sollte 
wirklich einmal ein Kind mit nachhause geschickt werden uud einige 
Tage fehlen, ohne wirklich krank geworden zu sein, so fällt das 
^gegenüber dem Vorteile, eine Reihe von Mitschülern vielleicht vor 
..Ansteckung geschützt zu haben, kaum irgendwie ins Gewicht. u 
A. Orthey-Berlin. 
Das Ende der Kurierfreiheit 
Unter eigener Verantworte d. Verfassers. 
Die letzten Nach richten aus den leitenden Kreisen lauten für uns wenig er 
freulich. Der Kultusminister Dr. Bosse sucht seine medizinischen Reformen mit einer 
hei anderen Gelegenheiten nicht zu Tage tretenden Energie durchzuführen und 
wird hei Verwirklichung dieser Pläne vom Ministerium des Innern lebhaft unter 
stützt. Zwar enthielt der von den Tagesblättern veröffentlichte Brief an den 
Aerztekammerausschuss die Drohung, dass bei Nichtannahme der ministeriellen 
Vorschläge auf ein weiteres Entgegenkommen nicht zu rechnen sei, indessen 
wurde damit wohl nur ein sanfter Druck auf die Aerzteschaft beabsichtigt, 
wie die geflissentliche Hervorhebung des Satzes genugsam zeigte. Man ist im 
Kultusministerium den Aerzten ausserordentlich zugethan und wird dieselben 
aus nur den Eingeweihten bekannten Gründen weiter lieben, selbst wenn sie 
sich zur Gegenliebe nicht zwingen lassen sollten. Der letzte Rest des den 
Naturheilanhängern anhaftenden Optimismus ist durch die schon am 1. April 
d. J. erfolgende Erhebung des bisherigen Hilfsarbeiters im Ministerium, Ober 
stabsarzt Professor Dr. M. Kirchner zum Vortragenden Rat zerstört worden, 
zählt doch der Genannte zu den entschiedensten Gegnern der Naturheilmethode 
im allgemeinen und der Laienpraktiker im besonderen. 
Die Bemühungen des Kultuministeriums zur Herbeiführung des von 
einer interessierten Aerzteschaft geforderten Kurpfuschereiverbotes sind längst 
bekannt, und es hat an Gegenbestrebungen nicht gefehlt, Weniger bekannt 
aber dürfte die Thatsache sein, dass die Minister für „Kultus“ und des „Innern“ 
sich auch bereits eine Mehrheit im Bundesrate gesichert haben und eine ent 
sprechende Vorlage dem neuen Reichstage bald nach dessen Zusammentritt 
zugehen soll. Man hofft mit Aufhebung der Kurierfreiheit alle Nörgler 
auf gesundheitlichem Gebiete einschliesslich der Impfgegner mit einem Schlage 
loszuwerden. 
Halten wir Heerschau über unsere Streitkräfte im Reichstage, so sieht 
^es damit traurig genug aus, denn wir haben noch nicht 120 sichere Stimmen. 
Vom Freisinn "kaum 20, Sozialdemokratie rund 40, Reformpartei 15, vom 
Centrum etwa 30 bis 40 und von den konservativen Parteien (nach ungefährer 
"Schätzung) 15 (Anhänger der Homöopathie und 2 Anhänger des Naturheil-
	        
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