Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

67 
äst stark gerötet und sieht infolge der geschwollenen Geschmacks 
wärzchen aus wie mit roten Knötchen besetzt („Himbeei zunge ). 
Nach 3—4 Tagen beginnt der Ausschlag abzublassen, das Fieber ver 
ringert sich von Tag zu Tag, Kopfschmerzen und Schluckbeschwerden 
nehmen allmählich ab, und nach ca. einer Woche beginnt das Stadium 
der Abschuppung. Die Hornhaut löst sich in grösseren Stücken ao, 
und von den Händen und Füssen, an denen bekanntlich die Horn 
haut am stärksten ist, lassen sich manchmal ganze Handschuhe ab- 
ziehen. Mit dieser Häutung hat die Krankheit ihren Abschluss ge 
funden. — 
Der eben geschilderte Verlauf des Scharlachs wird aber etwas 
geändert, wenn sich Begleit- und N^chkrankheiten entwickeln. Eine 
der wichtigsten ist die Nierenentzündung. Sie tritt meist erst 
dann auf, wenn der Scharlach schon geheilt zu sein scheint, entsteht 
wahrscheinlich durch den Heiz des Scharlachgiftes, das durch die 
Nieren ausgeschieden wird, und ist zu erkennen an. einer wasser 
süchtigen Schwellung des Gesichts und der Augenlider sowie an dein 
Eiweissgehalt des spärlich entleerten Urins. Deshalb untersucht 
jeder gewissenhafte Arzt den Urin des vom Scharlach Genesenden 
täglich auf Eiweiss. 
Von den vielen Begleitkrankheiten sind zu nennen die diphtlie- 
ritische Halsentzündung und die Eiterung des Mittelohrs. 
Eine Halsentzündung finden wir ja bei jedem Scharlachfieber; es ist 
daher nicht auffällig, dass auf der schon kranken Schleimhaut in 
manchen Fällen brandige Zerstörungen Platz greifen (Diphtherie), und 
-ebenso natürlich scheint es, dass zuweilen der Enzünclungsprozess 
vom Rachen durch die Eustachische Röhre zum Mittelohr fortschreitet 
und dort eine Eiterung hervorruft. Unter heftigen stechenden und 
klopfenden Schmerzen im Ohre durchbricht schliesslich der Eiter das 
Trommelfell und fliesst durch den äusseren Gehörgang ab. Dieses 
Ohrenlaufen“ dauert oft monatelang, und häufig entsteht nach 
mnem solchen Vorkommnis Schwerhörigkeit auf dem betref 
fenden Ohre. 
Vorbeugung und Behandlung: Die Erfahrung lehrt, dass 
von den sogenannten ansteckenden Krankheiten bei weitem nicht 
alle Personen „angesteckt“ werden, die mit ihnen in Berührung 
kommen. Das ganze Wärterpersonal und ebenso die Aerzte, die ja 
bei einer Epidemie von Kranken zu Kranken gehen, müssten doch 
ohne Ausnahme angesteckt werden, wenn die Ansteckungsfähigkeit 
nur an das Krankheitsgift geknüpft wäre. Die ganze Menschheit 
wäre sicher schon ausgestorben, wenn jeder Krankheitskeim, der in 
den menschlichen Körper gelangte, in ihm zur vollen Entwicklung 
gelangen würde. — Zwei Umstände sind es, die zum Krankheitsgifte 
noch hinzu kommen müssen, um es ansteckungsfähig zu machen: 
erstens eine ungesunde Umgebung und Lebensweise (schlechte Boden-, 
Luft- und Wohnungsverhältnisse, ungesunde Nahrung und Kleidung), 
zweitens eine gewisse Schwäche des Körpers, eine sogenannte Krank 
heitsdisposition. Wer in gesunden Verhältnissen lebt, wer einen 
kräftigen, widerstandsfähigen Körper hat, an dem prallen die Bacillen 
und ihre Gifte machtlos ab, ein solcher Mensch ist dank seiner 
„guten Natur“ seuchenfest. Ein anderer mit schwächlichem Körper 
ist „anfällig“, wie die Volkssprache lautet und kann dem Eindringen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.