Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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für die ratenweise Abzahlung der Möbelschuld — ich musste doch ein Bett r 
einen Tisch, einen Schrank und einige Stühle haben — blieb mir nichts mehr. 
Infolge der ungenügenden und schlechten Beköstigung im Seminar- 
Internate und der für meinen schwachen Körper zu schweren Bauernkost 
wurde ich wenige Monate nach meiner Anstellung bedenklich krank. Der 
Verdauungsapparat funktionierte nicht mehr. Der zu Bat gezogene Arzt 
verordnete häufiges Kauen von Bhabarberwurzeln, bei Steigerung des Uebels 
den Genuss von Karlsbader Bitter- und ungarischem Hunyadiwasser; wenn 
aber alle diese Mittel nicht hülfen, sollte das nie versagende Bicinusöl ge 
nommen werden. 
Das war eine Pferdekur. Dass ich aber keine Pferdenatur war, hätte 
ich selbst wissen und den ganzen Kram zum Fenster hinaus werfen oder 
dem Apotheker lassen sollen. Aber ich war, wie die meisten preussischen 
Seminaristen, autoritätengläubig und kaute darum andächtig die scheusslichen, 
trockenen Wurzeln, trank zwei Sorten Bitterwasser und löffelte das wasser 
klare, steife Purgierfett. 
Nach weiteren 2—3 Monaten hatte ich meinen Verdauungsapparat voll 
ständig ruiniert. Er versagte einfach. Ich lag zu Bett und erwartete unter 
entsetzlichen Schmerzen den Tod. Der Arzt, den wir nochmals befragten, 
verordnete wiederholte grössere Portionen von Bicinus; das müsse wirken. 
Geduldig und doch zweifelnd trank ich schliesslich eine ganze Flasche auf 
einmal aus. Erfolg = 0! 
In dieser Not schickte ich einen Eilboten zu meinem älteren Nachbar 
kollegen, von dem man mir erzählt hatte, er wisse wohl mit kranken Leuten 
umzugehen und habe nicht selten jemanden gerettet, der bereits von den 
Aerzten aufgegeben war. An diesen Hoffnungsanker klammerte ich mich 
nun. Ich setzte voraus, dass er sich bei dem leidenden Amtsgenossen be 
sondere Mühe geben werde, schon darum, weil er sich hier einen eifrigen 
Jünger der Naturheilmethode heranziehen konnte. 
Nachdem ich etwa acht Tage lang genau nach seinen Vorschriften Um 
schläge angelegt, Klystiere gesetzt, Obstwasser getrunken, Stubentouren 
gemacht hatte, konnte ich daran denken, den Unterricht wieder aufzunehmen. 
Ich habe sogar im Spätherbst desselben Jahres als Soldat gedient und trotz 
der kurzen Dienstzeit die gestellten Bedingungen sämtlich erfüllt. Als ich 
den bunten Bock wieder gegen den schlichten eigenen umgetauscht hatte, 
durfte ich mich für einen kerngesunden Kerl halten. Ich hatte mir zum 
ersten Male in meinem Leben rote Backen geholt. Ausserdem war ich inner 
halb der wenigen Monate um 20 Pfund schwerer geworden. 
Briefkasten. 
Welcher Naturarzt bezw. Besitzer einer Heilanstalt mit ausgedehntem, für 
den Obst- und Gartenbaubetrieb geeignetem Grundbesitz, wäre geneigt, sich mit einem 
in weitesten Kreisen bekannten Fachmann zu verbinden. Es wird die Gründung einer 
niederen Gärtnerlehranstalt speziell für solche junge Leute geplant, die aus Gesund 
heitsrücksichten Gärtner werden wollen und die neben der praktischen Ausbildung 
gleichzeitig einer ärztlichen Behandlung bedürfen, wenn sie in dem erwählten Beruf 
nicht zu Grunde gehen wollen. — Wir empfehlen dieses von einer ersten Autorität 
unterstützte Projekt der Beachtung, zumal dasselbe von einem begeisterten Anhänger 
der Naturheilkunde ausgeht, dessen Befähigung für gewinnbringende Ausnutzung eines 
grösseren Gartenareals, sowie für den Lehrerberuf nicht anzuzweifeln ist. Adressen 
zur Weiterbeförderung nimmt unter „Pomona“ die Redaktion des „Naturarzt“ entgegen. 
Verantw. Redakteur: Dr. med. Schulze, prakt. Arzt in Berlin. 
Kommissions-Verlag und Druck von Wilhelm Möller, Berlin S., Prinzenstrasse 95.
	        
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