Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Unfälle im Beruf. Im Jahre 1896 wurden vom Beichsversicherungsamt 
57 347673 Mark ausgezahlt an 329380 verwundete Arbeiter, an 32707 
Frauen getöteter Arbeiter, ferner an 60190 Kinder getöteter Arbeiter. 
Wie mancher jener Unfälle hätte verhindert werden können, durch ent 
sprechende Sicherheitseinrichtungen in einzelnen Betrieben. 
Ueber die Arbeitszeit im Müllergewerbe haben entsprechende amtliche 
Feststellungen ergeben, dass meist ein ununterbrochener Dienst von 24 bis 
36 Stunden geleistet werden muss. 
Idyllische Schulzustände herrschen im preussischen Osten. In Freden- 
walde verbrannte die Schule und mit ihr die Lehrerfrau. Das Gebäude 
war mit Bohr bedeckt und hatte einen hölzernen Schornstein. In der 
„ritterschaftlichen“ Schule zu Vorbeck bei Schwerin hat die einzige Klasse 
40 Schüler bei einer Schulstube von 77 cbm Baum, die Thür ist 1 m 55 cm 
hoch, die Fenster gegen den Wind mit Pappe vernagelt; der Misthaufen des- 
Nachbars reicht bis dicht vor die Thür der Schule, unter der Schulstube 
befindet sich ein feuchter Kartoffelkeller. Abort für Lehrer und Schüler ist 
nicht vorhanden. — — — Aehnliche, zum Teil noch schönere hygienische 
Zustände herrschen in Fergitz bei Gerswalde, in Milow bei Lenzen und in 
Dobiewo bei Znin. Gemeinde und Staat haben kein Geld für die Volks 
bildung und Volksgesundheit, oder sollte auch das Verständnis fehlen? 
—Für die Frauen. 
— Weibliche Konditorgehilfen werden mehr und mehr verlangt und weib 
liche Lehrlinge eingestellt. Da giebt es ein Hantieren und Erwägen, Bühren 
und Zubereiten, kurz eine für Frauen uud Mädchen durchaus passende Thätig- 
keit. Das Einkochen der Früchte, Verzieren von Torten, Bereiten von Eis 
und Cremes, seihst das Herstellen von Pralinees, Honigkuchen und Marzipan 
geht den Lust und Geschick zeigenden Mädchen flott von Händen. Tüchtige* 
Konditorinnen können es gewiss zu gutem Verdienst bringen, besonders wenn 
sie sich irgend einer Spezialität widmen. Uebrigens besorgt auf dem Lande* 
die Haushälterin oder Mamsell von jeher jede feinerei Bäckerei seihst. Wes 
halb sollte also ein Mädchen oder eine Frau in der Stadt nicht die Feinbäckerei 
erlernen? Wir werden uns bald daran gewöhnen, statt der weissgekleideten 
und weissbemützten Konditorgehilfen hellgekleidete Mädchen, das Haar von 
sauberen, weissen Mützchen bedeckt, als Konditor-Gehilfinnen zu sehen, wie ja 
auch in vielen Konditoreien freundliche Mädchen die „Windbeutel 4 ‘ und „Apfel 
kuchen mit Schlagsahne“ servieren. — Noch ein zweiter Beruf ist den Frauen 
bisher verschlossen, der ebenfalls mehr in ihr Gebiet als in das des Mannes, 
gehört, die weiblichen „Schlächterinnen“ nämlich. Natürlich ist dabei weder ge 
meint, dass eine Frau ein Tier töten, noch dass sie für gewöhnlich das Fleisch, 
„zuhauen“ soll, was aber oft in Abwesenheit des „Meisters“ oder des „Block 
gesellen“ die „Meisterin“ oder die „Mamsell“ sehr geschickt macht, sondern 
das Zubereiten der verschiedenen Wurstsorten. Dass diese Arbeit von An 
beginn in das Gebiet der Frau fiel, ist erwiesen; nur ist sie ihr im Laufe der 
Zeit entwunden worden, seit allgemein die Hausschlächterei aufhörte, die nur 
noch auf dem Lande zu finden ist. Ganz besonders in Mecklenburg und 
Pommern, wo ausgezeichnete Wurst fabriziert wird, besorgen auf dem Lande* 
ausschliesslich Frauen und Mädchen unter Leitung der Mamsell die Wurst 
bereitung, und in keinem Zeugnis einer Haushälterin darf die Bemerkung 
fehlen, „wie sie das Einschlachten versteht“. Die vorbereitenden Arbeiten, wie 
z. B. das Fleisch durch die Maschine treiben, Fett schneiden, die Wurstmasse 
mischen u. s. w., das sind Arbeiten, die in das Gebiet der Küche gehören. — 
Da die sozialen Verhältnisse nicht jedem Mädchen die Ehe gestatten, ein 
pflichtloses Hinlehen aber ebenso gesundheitsschädlich als unmoralisch ist, 
müssen den Frauen vor allen solche Berufe eröffnet werden, in denen sie ihre*. 
Talente am besten bethätigen können.
	        
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