Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Wenn ich nun die aufrichtige und volle Versicherung gebe, 
dass ich in meinen Angaben nichts entstellt oder vergrössert habe, 
so wird man meiner Behauptung wohl Glauben schenken, dass man 
der Serumeinspritzung ebensowenig wie der des alten und neuen 
Tuberkulins vertrauen dürfe, zumal wenn ich hinzufüge, dass bei 
dieser mörderischen Krankheit die Resultate des Naturheilverfahrens 
auch gerade nicht sehr glänzend sind, aber doch den Vorteil haben, 
dass wir ebenso wie bei Behandlung der hitzigen Ausschlags 
krankheiten über Nachkrankheiten nicht zu klagen haben, vorausgesetzt, 
dass wir zeitig genug die Behandlung übernehmen. Ich würde ja 
mit Freuden ein Mittel begrüssen, welches diesem Würgengel Fesseln 
anlegte, aber ich kann mich nach meinen Erfahrungen von den Vor 
zügen der Serumbehandlung nicht überzeugen und kann daher auch 
unsern Anhängern nach diesen Auseinandersetzungen gar kein Ver 
trauen dazu einflössen. 
Wenn ich soeben gesagt habe, dass gerade in dieser Krankheit 
die Erfolge des Naturheilverfahrens nicht sehr glänzende wären — 
ich meine damit, dass die Zahl der Todesfälle immer noch bei weitem 
grösser ist, als die, welche wir bei unsrer Behandlung von Ent 
zündungen und hitzigen Hautkrankheiten zu verzeichnen haben — 
so will ich damit keinesweges gesagt haben, dass die Schuld an 
unserm Verfahren liegt, sondern vielmehr daran, dass die Krankheit, 
wie es sich meistens zeigt, schon viel früher bestanden und Fort 
schritte gemacht haben muss, ehe sie wirklich in die Erscheinung 
tritt. Wenn dies nicht der Fall wäre, dann wäre es nicht zu er 
klären, wie Kinder, die ganz gesund zu sein scheinen, aber mitten 
im Spiel aufhören, mit einem male zur Mutter eilen, über Hals 
schmerzen klagen, sich plötzlich ganz krank stellen und bei der 
Untersuchung des Mundes schon einen starken Belag auf Mandeln 
und Zäpfchen zeigen. Man könnte diese plötzliche Erkrankung bei 
Tage als ein Unterscheidungszeichen von der katarrhalischen Ent 
zündung der Mandeln bezeichnen, denn bei dieser erwachen die Kinder 
gewöhnlich des morgens mit Klagen über Halsschmerzen und mit einigem 
Fieber, zeigen aber bei der Untersuchung nicht gleich einen Belag, 
sondern erst stark gerötete, geschwollene Mandeln und Rachenwände. 
Man kann nicht sagen, dass Fieber bei der Diphtheritis eine vor 
waltende Erscheinung ist, gewiss ist aber, dass das Fieber bei der 
Diphtheritis selten einen hohen Temperaturgrad annimmt. Der 
Belag der Mandeln ist wohl die Ursache, dass, da er seit der grösseren 
Verbreitung der Diphtheritis die Eltern so in Schrecken versetzt, 
leicht Verwechslungen entstehen können, weil es häufig schwierig 
ist, die kleinen Patienten zu veranlassen, den Mund zu öffnen, und 
weil es auch oft zu dunkel im Krankenzimmer ist. Ausserdem ist 
das Erkennen dieser Krankheit deshalb so schwer, weil der ganze 
Unterschied zwischen den Belägen der beiden Krankheiten nur in 
der Nuancierung der Farbe besteht, da bei der katarrhalischen Ent 
zündung ein weisslicher, bei der Diphtheritis aber mehr ins Graue 
spielender Belag sich findet, und ferner darin besteht, dass der 
letztere einen spinnenwebenartigen, von der Peripherie Fäden aus 
strahlenden Charakter zeigt. Die Anschwellung der Halsdrüsen giebt 
, auch kein richtiges Unterscheidungsmerkmal, denn bei beiden Kränkelten 
nehmen die benachbarten Lymphdrüsen teil, sodass uns das von mir
	        
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