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Aber manche hydrotherapeutische Aerzte machen Missgriffe bei der
Diät der Kranken, die schwere Nachteile im Gefolge haben. Sie dulden es,
dass ihre Patienten zu den Hauptmahlzeiten fette, schwer verdauliche Speisen
zu sich nehmen, wie Schweine-, Gänse- und Entenbraten, fettes Gebäck,
fette Mehlspeisen, blähenden Kohl u. dergl. mehr. — Wenn nun auch den
sehr kräftigen Personen mit ebenso kräftiger Verdauung einer derartigen
Diät unter normalen gesunden Verhältnissen nichts im Wege steht, so sollte
doch im kranken Zustande alles gemieden werden, was den Organismus be
schwert und belastet. Insbesondere sollten Magenschwache und Magen
leidende nur leicht verdauliche Speisen während einer Wasserkur zu sich
nehmen. So ist beispielsweise der Genuss von Schwarzbrot ein Hinderungs
mittel der Kur. Dasselbe wird mit Wasser angerührt und ist viel unver
daulicher als das mit Milch angerührte feine Roggenbrot. Ersteres kann
übrigens auch nicht so trocken ausgebacken werden, als letzteres. Das
Schwarzbrot ist dann seinem Volumen nach viel schwerer als das Eeinbrot.
Am leichtesten verdaulich ist das mit Milch statt Wasser angerührte
Weizenmilchbrot, während das Mischbrot, bestehend halb aus Roggen-
feinmehl und halb aus Weizenmehl mit Milchanrichtung gebacken, die Mitte
der Verdaulichkeit hält und allen übrigen, nur nicht Verdauungskranken,
zum Genuss freigegeben werden darf.
Der behandelnde Hydrotherapeut hat in der Ernährungsphysiologie
auch sein Augenmerk auf die Beschaffenheit der Nährmittel zu richten. Er
wird zu erwägen haben, dass der Weizen an sich eine edlere und an Kleber
reichere, akso schneller nährende Körnerfrucht ist, die bei umfangreicherem
Volumen, bei der Lockerheit ihres Gebäcks, den Magen füllend, dennoch
diejenigen feinen Stoffe enthält, welche schnell assimiliert durch den Chylus
blutnährend wirken. Je lockerer das Weizenbrot ist, desto besser; denn
bekanntlich arbeiten die Magenhäute stärker und sondern mehr Pepsin ab,
wenn der Magen durch den Speisebrei eine hinreichende, alle Magenwände
gleichmässig berührende Füllung erhält, ohne dass dieselbe ihrem Volumen
entsprechend schwer ist. Ist die Füllung mit leichten Nährstoffen nur im
unteren Teile des Magens vorhanden, so werden die Magenhäute schwächer
arbeiten, es kommt eine geringere Menge von Verdauungsferment in den
Speisebrei und die Verdauung verlangsamt sich bis zur Trägheit des Darmes.
Nun aber kann der schwache Magen eher eine grössere Menge Speisen ver*
dauen, die locker und gut durchkaut hinein gelangen, als eine kleinere
Quantität, die zu ihrem geringen Umfange wenig porös, daher schwer ist
und der schnellen leichten Bewegung während des Fermentationsprozesses
widersteht. Hieraus erklärt sich, dass der Magenschwache Speisen bevor
zugen muss, welche bei ausgedehntem Volumen ,nur ein verhältnismässig
geringes Gewicht haben. Darum ist der Rat verwerflich, zur schnellen Auf
besserung der Kräfte des Kranken demselben den Genuss konzentrierter,
d. h. viel Nährstoff bei geringer Ausdehnung enthaltenden,
Speisen als Eier, Austern, Kraftgelee, Kaviar, Kraftgebäck u. v. a. zu
empfehlen. — Unbedingt verboten werden muss jedem Verdauungsleidenden
Roggenbrot, mit Sauerteig bereitet, denn der Genuss desselben würde
neben der Unverdaulichkeit das Sodbrennen hervorbringen, ein Brennen
am Magenmunde, das den Schlund aufwärts steigt und im Munde das Ge
fühl einer brennenden Säure mit starker wässeriger Speichelabsonderung
erzeugt, also den Kranken noch mehr entkräften müsste. Nur ein an
Schwarzbrot gewöhnter Patient darf dasselbe mässig gemessen, aber dann
muss dasselbe mit Hefe statt mit Sauerteig angemacht werden. Ebenso
steht es mit dem Pumpernickel. Betreffs der Stuhlgangsbeförderung darf
gesäuertes Schwarzbrot einem Kranken nicht gegeben werden, der sich einer
Wässerheilkur unterzieht. Der behandelnde Arzt muss bedenken, dass, wenn
die scharfe Säure auch eine vermehrte Absonderung von Flüssigkeit der
Darmdrüse veranlasst, und infolge davon vermehrten Stuhlgang befördert,
doch jene vermehrte Absonderung aus einer abnormen Reaktion besteht,