Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Beschluss der „stattlichen“ Versammlung des Aerztetages der Kneippärzte 
bespricht, wonach das Kneippsche Verfahren nur von approbierten Aerzten an 
gewendet werden solle. 12 Aerzte von 97 waren anwesend und fassten 
diesen famosen Beschluss, der charakteristisch ist für die Dankbarkeitsgefühle 
der Herren. Dieselben sind eines Laien Schüler, kaum hat der Meister 
die Augen geschlossen, so schlagen sie ihn noch einmal tot. 
— Den Lehrern im Königreich Sachsen wird das Abhalten von Vor 
trägen auf Betreiben der Aerztevereine von den Schulbehörden untersagt. 
In Preussen ist der Anfang damit in einer Provinz ebenfalls gemacht worden. 
Nun, wenn die Lehrer eine „führende Stellung“ in unserer Bewegung nicht 
mehr einnehmen dürfen, so können sie doch „hinter den Kulissen“ wirken; 
an Kednern fehlt es ja heute nicht mehr im Deutschen Bunde und die 
Aerzteschaft kommt auch hier um einige „Posttage zu spät“! 
— Ein Lehrstuhl für Hydrotherapie (Wasserheilkunde) wird auf Veran 
lassung des neuernannten Kultusministers an der Universität Wien er 
richtet. Professor Winternitz wird die Leitung derselben übernehmen. 
Möge der Herr Professor niemals vergessen, dass er ein Schüler des „Bauern“ 
und „Laien“ Priessnitz ist! 
— Äerztlicher „Kunstfehler!“ Der prakt. Arzt und Geburtshelfer Dr. F. 
aus G. wurde zur Entfernung der Nachgeburt bei einer Wöchnerin gerufen, 
die normal geboren hatte. Mit der Zange riss der „staatlich Approbierte“ 
nach langer, mühevoller Arbeit die Gebärmutter heraus, die er für eine 
weiche Geschwulst hielt, dabei zerriss er die Scheide, drang — ohne es zu 
merken — in die Bauchhöhle ein und zerriss die Harn-Blasenwand, so dass 
die Frau an Verblutung starb. — Der Rest ist Schweigen. — 
Mitglieder der Krankenkassen, seid auf der Hut! Wenn die ärztlichen 
Ehrengerichte und die Standesordnungen einmal Gesetzeskraft erlangt haben, 
wenn gar die Kurierfreiheit aufgehoben ist, dann werden die Arbeiter nur 
für die Geldbeutel der Herren Aerzte zu sorgen haben, denn diese benutzen 
schon heute — wo dies irgend möglich ist — die Kassen als Milchkühe, 
Folgender Brief des ärztlichen Bezirksvereins zu Glauchau wird manchem 
Krankenkassen-Vorstande die Augen öffnen: 
„An die Ortskrankenkasse zu Lichtenstein. — Nachdem zur 
Kenntnis des ärztlichen Bezirksvereins zu Glauchau gekommen ist, 
dass die Ortskrankenkasse zu Lichtenstein an die Herren Aerzte 
jährlich nur 1500 Mark bei 1100 Mitgliedern bezahlt, hat der Unter 
zeichnete Verein die beiden in der Ortskrankenkasse zu Lichtenstein 
praktizierenden Aerzte veranlasst, den gedachten Kontrakt zu kündigen 
und entweder 3 Mark pro Kopf und Jahr Pauschquantum oder die 
Honorierung der Einzelleistungen nach dem Minimum der Taxe vom 
28. März 1889 zu verlangen. Das Gesetz vom 26. März 1896, die 
ärztlichen Bezirks vereine betreffend, bietet dem Bezirksverein zu 
Glauchau die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass kein anderer 
Arzt, auch kein neu hinzuziehender, die Krankenkasse zu 
anderen Bedingungen übernehmen kann. In vorzüglicher Hochachtung 
Der ärztliche Bezirksverein zu Glauchau. Gez. Dr. E. Hankel, d. Z. 
Vorsitzender.“ 
Das heisst mit anderen Worten: Die Kassenmitglieder sollen anstatt 1500 
Mark mehr als das Doppelte, nämlich 3300 Mark an ihre Aerzte bezahlen 
die Kassenmitglieder sollen ihre mühsam verdienten Groschen nur ja der 
heiligen Dreieinigkeit von Arzt, Apotheker und Impftier opfern! — Mögen 
die Kassenmitglieder nicht versäumen, ihre Abgeordneten auf die drohende 
Gefahr hinzuweisen, damit dieselbe besonders Herrn Minister Dr. Bosse 
und seinem Herrn Direktor Dr. Bartsch zum Bewusstsein gebracht werden 
kann, ehe es zu spät ist; gerade diese beiden Herren scheinen nur zu sehr 
geneigt, der Aerzteschaft mit vollen Händen zu spenden was dieselbe 
begehrt.
	        
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