Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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wie die doch bei vielen recht verschiedenartige Wirkung seiner Verordnungen; 
er bleibt somit auf die Selbstbeobachtungen des Patienten angewiesen, und muss 
nach diesen seine briefliche Behandlung fortsetzen. Diese „Selbstbeobachtungen 11 
sind aber eine so schwanke, unsichere Grundlage, dass kein ehrlicher 
Mensch darauf eine Behandlung aufbauen kann. Der getäuschte Patient aber 
macht nicht den Berater, sondern die Methode für den Misserfolg verantwortlich 
und so leidet das Ansehen der Sache. — Bittere Klagen habe ich in dieser 
Beziehung erst wieder auf der jüngsten Vortragstour in der Nord westdeutschen 
Gruppe anhören müssen. — Aber wenn am Platze ein Arzt oder Naturheil 
kundiger lebt, so kann der Vortragende, abgesehen von der unlauteren Kon 
kurrenz auch das Ansehen des Betreffenden schwer schädigen. Er kommt 
möglicherweise auf Grund seiner flüchtigen einmaligen Untersuchung zu einer 
entgegengesetzten Verordnung als der am Platze wohnende Naturheilkundige, 
der vielleicht nach langer Beobachtung eine andere Verordnung für richtiger 
hielt. Der Patient, der dem Pedner vertraut, dem gestern Abend so lebhafter 
Beifall gespendet wurde, kommt nun zu der Ueberzeugung, der Arzt des Ortes 
verstehe nichts; der berühmte auswärtige Naturarzt habe ganz was anderes 
verordnet. Hilft nun auch diese Verordnung nicht, so ist das Vertrauen des 
Kranken nicht nur zu beiden Aerzten, sondern zur Methode erschüttert, 
•er kehrt reuig zu den Salbentöpfen der Apotheke zurück und — 
macht Stimmung gegen die Naturheilkunde, oder lässt dies von seinem Arzte 
besorgen. — Aber auch die materielle Seite kommt in Betracht. Der Kedner 
wird für seinen Vortrag honoriert, nicht für seine Wanderpraxis. Er soll 
Fragen beantworten, die sicli auf den Vortrag beziehen, soll Erläuterungen 
geben, soll Anwesenden sagen, wie sie dieses oder jenes Symptom etwa zu 
deuten haben, damit Schluss. Die Behandlung soll eine individualisierende 
sein und unter dauernder Aufsicht und-Beobachtung des Arztes oder Praktikers 
erfolgen. Ein Honorar hat der Wanderredner für derartige Patschläge nicht 
zu beanspruchen. Schreiber dieses hat im Anschluss an seine Vorträge oftmals 
noch mehr als zwanzig Personen Auskunft erteilt und Honorar stets abgelehnt. 
Er hat Besuche gemacht, Kranke untersucht, über den Befund mit ortsansässigen 
Naturärzten Piicksprache genommen oder die Patienten an Anstalten gewiesen, 
ohne je hierfür ein Honorar anzunehmen, ohne aber auch persönlich eine Be 
handlung zu übernehmen. Dadurch hat derselbe den Leuten und den Vereinen 
genützt und durfte stets guten Mutes wiederkommen. Allerdings ist das übliche 
Vortragshonorar verhältnismässig gering und bietet dem Pedner nur dann einen 
Ueberschuss, wenn derselbe einen Cyklusobne freie dazwischenliegende Tage 
absolvieren kann. Wer tägliches Peden nicht aushält, der mag höhere Honorare 
fordern, nicht aber sich durch Sprechstunden schadlos halten. Wir wollen 
Wanderredner nicht Wanderärzte, und die Zeiten da der Arzt im roten Pock 
von Stadt zu Stadt zog, in wohlgesetzter Pede seine Kunst anpreisend, sind 
vorüber. Lassen wir diese Institution wieder aufleben, so setzen wir uns be 
rechtigtem Tadel aus und unterstützen die Kurpfuscherei. 
P. G. 
—<$§ Aus der Zeit. 
— Allerlei. In Schledehausen wird nunmehr eine Heilanstalt ent 
stehen, welche von den Vereinen der Nordwestdeutschen Bundesgruppe er 
baut wird. Am 2. Oktober wurde am Orte von den Delegierten der Vereine 
der endgiltige Beschluss gefasst, der Platz besichtigt und der Aufsichtsrat 
gewählt. Die Mittel, etwa 100 000 Mk., sollen durch Anteilscheine von den 
Mitgliedern aufgebracht werden und ist der grösste Teil der Summe bereits 
gezeichnet. Der Aufsichtsrat wird gebildet von den Herren Beintker-Bremen, 
Bruns - Oldenburg, Wichels - Bremerhaven, Schade - Cellö, Jakoby - Hannover, 
Meyersiek-Schledehausen und Budke-Melle. Als Beigeordnete wurden die
	        
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