Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Hereinbrechen der Krankheit aus. Nennt man doch die Influenza häufig 
auch „Blitzkatarrh“. 
Als die Heimat der Influenza gilt Asien und Russland. Darum heisst 
sie auch „russischer Katarrh“. Ihren ersten Rundgang durch die Länder 
Europas soll sie im Jahre 1387, nach andern Angaben 1510 gehalten haben. 
Ueberaus schlimm war ihre Invasion im Jahre 1832. Mehr als die Hälfte 
der Bevölkerung wurde damals von ihr ergriffen. Die letzte heftige Epidemie 
fiel in die Wintermonate 1889/90. Mit unheimlicher Schnelligkeit verbreitete 
sie sich von Sibirien aus über Ost- und Mitteleuropa und wanderte in der 
Richtung von Osten nach Westen weiter über die ganze bewohnte Erde. 
Und seither ist sie in unseren Landen sesshaft (endemisch). Eine „Aller 
weltsseuche“ möchte ich sie nennen. Nichts vermag sie in ihrem Gange zu 
hemmen. In jedem Klima, bei jeder Witterung, in jeder Jahreszeit, zu 
Wasser und zu Lande schreitet sie vorwärts. Am häufigsten aber tritt sie 
in den Herbst- und Wintermonaten auf. Eeuchtkalte Witterung pflegt man 
gemeinhin als Influenzawetter zu bezeichnen. 
Im Krankenzimmer hört der Arzt manchmal die Worte: ,,Ah, das ist 
wieder so ein neuer Name, der die Sache viel böser macht, als sie an sich 
ist. Früher sagten wir Katarrh, jetzt heisst es: Influenza.“ 
Etwas Wahres ist an dem, was die Leute ^sagen. Die Influenza ist 
ein Katarrh, eine akute Entzündung der Luftwege, nur fehlen bei einem 
gemeinen Katarrh die schweren Allgemeinerscheinungen (ausser hohem Fieber, 
das auch bei andern Schleimhautentzündungen einhergeht, schwere Störungen 
von seiten des Magens und Darmkanals, ziehende Schmerzen in den Gliedern 
und im Rücken, grosse Abgeschlagenheit und Hinfälligkeit u. s. w.) und die 
ausgeprägt nervösen Zustände und Störungen, die das ständige Gefolge der 
Influenza bilden. 
Die Influenza gehört zu den ansteckepden Krankheiten. Und nach 
Ansicht der Schulmedizin „machen“ die Bazillen, Kokken und Spirillen die 
Infektionskrankheiten. „Folgerichtig“ hat auch ein Bazillus die Influenza 
auf dem Gewissen: der im Frühjahr 1892 von Pfeiffer und Canon entdeckte 
V iooo mm grosse, hantelförmig aufgetriebene, stab artige Influenza-Bazillus. 
0 diese Bazillenherrlichkeit! Den Auffindern bringen diese „kleinsten 
Lebewesen“ den Professor-, bezw. Geh. Medizinal-Rat-Titel, das Menschen 
geschlecht aber bringt die Bakteriologie, das Prunkstück der Schulmedizin, 
auf den (Hund) Kirchhof. Ich halte es lieber mit Prof. v. Pettenkofer-München, 
der die Bakterien „die grössten Wohlthäter der Menschheit“ nennt. Die 
Schulmedizin lehrt ferner, dass der Ansteckungsstoff (das Kontagium) an 
dem Auswurf des Kranken hafte. Verschleppt werde er durch die Luft. 
Durch die Atmungswege dringen die Mikroorganismen in den Körper. Da 
neben komme es auch vor, dass sie vom Darmkanal aus den Körper durch 
seuchen. 
Wir können bei der Influenza drei Entwickeiungsstadien unter 
scheiden. 
Am häufigsten befällt sie die Atmungsorgane. Die Schleimhäute der 
Nase, des Rachens, der Luftröhre und der. Luftröhrenäste, kurz die ganze 
Luftbahn ist entzündet und sondert reichlich Schleim ab. Hinzu gesellen 
sich anhaltendes Niesen, Halsschmerzen, Heiserkeit, heftiger, anfallsweise 
auftretender Krampf husten, mitunter auch Ohrenstechen und Augenent 
zündung. 
In anderen Fällen — und so ist es meistens bei Kündern — ist wieder 
mehr der Verdauungstraktus der leidende Teil. Diese Influenzaform kenn 
zeichnet sich durch Magendrücken, Aufstossen, Sodbrennen, kolikartige 
Schmerzen im Leibe, Erbrechen, Verstopfung oder Durchfälle. 
Die dritte Form, in der die Influenza auftritt, ist die nervöse. Hier 
wirkt der Krankheitsstoff überwiegend auf das Gehirn und Rückenmark und 
ruft starke Kopf- und Gliederschmerzen, schwere Benommenheit, grosse 
Empfindlichkeit, Unruhe, Schlaflosigkeit, Irrereden, angstvolle Träume
	        
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