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bildet das unter dem Protektorat der deutschen Kaiserin stehende
Central-Comite zur Gründung von Volksheilstätten. Für das König
reich Sachsen ging die Anregung von dem bekannten Lungenspezialist
Dr. Priver (Reiboltsgrün) aus, der in einer, dem Könige von Sachsen
1890 überreichten Denkschrift die Notwendigkeit der Errichtung von
Lungenheilanstalten für Unbemittelte darlegte, unter Hinweis auf
England, das bereits 18 solcher Hospitäler besitze. Der für die Volks
wohlfahrt jederzeit warme Fürsorge bethätigende sächsische König
brachte dieser Anregung lebhaftes Interesse entgegen und übernahm
für den alsbald ins Leben gerufenen Verein zur Begründung von
Volksheilstätten für Lungenkranke' im Königreich Sachsen das Pro
tektorat. Bereits sind eine Anzahl solcher Lungenheilanstalten auf
deutschem Boden entstanden; leider sind es bis jetzt private Unter
nehmungen. Hoffentlich folgt der Staat diesen Beispielen bald nach.
Jedenfalls ist es freudig zu begrüssen, dass mit der Behandlung
Lungenkranker auf hygieinischem Wege der Anfang gemacht ist,
wenn auch das „Wie“ noch nicht völlig den Prinzipien unserer Natur
heilmethode entspricht. Eine Betrachtung der bei den „Volksheil
stätten für Lungenkranke“ obwaltenden Verhältnisse, wird das be
stätigen. Da alle derartige Anstalten zweifellos nach gleichen
Prinzipien geleitet werden, so mögen die Verhältnisse der im säch-
sichen Vogtlande befindlichen Anstalt „Albertsberg“ zur Illustration
dienen.
Die Anstalt „Albertsberg“ liegt auf einem etwa 700 m hohen,
meist mit Tannenholz bewaldeten Bergrücken, unweit der bekannten
Reiboldsgrüner Anstalt, also in denkbar günstigster Lage. Eine eigene
Wasserleitung liefert gutes Trinkwasser. Die Anstalt ist zur Auf
nahme von etwa 115—120 Kranken eingerichtet. Bei dieser verhältnis
mässig hohen Zahl hat sich das Einzelzimmersystem nicht durch
führen lassen, und so kommt es, dass 10, sage zehn Kranke in
einem Raum von 10 m Länge, 7 m 90 cm Breite und etwa 5 m
Höhe bei ungefähr 500 cbm Luftinhalt, schlafen müssen, ohne Unter
schied auf den Grad der Huster. Dabei haben die Schlafsäle durchaus
ungenügende Ventilation, in Hinblick darauf, dass die hier internierten
Kranken zum grossen Teile Phthisiker sind. Des Nachts über ist in
den Schlafsälen nur eine Klappe von 1 m Länge und 40 cm Breite
geöffnet; weiteres Oeffnen der Fenster ist zwar nicht untersagt (?),
aber bei der Aengstlichkeit vieler Kranken schwer durchführbar. Wo
10 Huster zusammen schlafen, ist aber doch die Hauptbedingung:
Luft, viel Luft! Es müsste also vom hygienischen Standpunkte das
Offenhalten aller Fenster streng zur Pflicht gemacht werden. An
der Decke der Schlafsäle ist zwar noch eine Ventilation angebracht,
sie ist aber mit einem — Brett vernagelt! Hierzu kommt das
Fehlen einer Centralheizung. Die Heizung wird durch
eiserne Füllöfen mit Braunkohlenfeuerung bewirkt. Wie man dies
mit den Grundsätzen einer modernen Hygiene vereinbaren will, ist
schwer zu begreifen. Die Essen sind auch zu niedrig gebaut und
der Rauch schlägt sehr oft aus den Ofen heraus, was dann begreif
licherweise einen starken Hustenreiz bei den Kranken hervorruft. Bei
feuchter Witterung schlägt der Essenrauch sogar in die Liegehallen
nieder, so dass die Kranken scherzweise den Ausdruck „Lungen
räucherei“ gebrauchen. Damit verfehlt die „Liegekur“, welche aLs