Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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oder fehlenden Gliedmassen namentlich in den Grossstädten, in welchen grössten 
teils die Hochburgen der Wissenschaft ihren Sitz haben, umherlaufen, würde» 
die Naturheilmethode vom Katheder der Staatsmedizin gelehrt, würde die Natur 
heilmethode Gemeingut des Volkes geworden sein. 
Gewerbe- und Wohnungshyglene. 
— Die vergiftende Wirkung der Quecksilber-Dämpfe auf den Organismus. 
Ha die Staatsmedizin noch lange nicht daran denken wird, den Quecksilber 
geh rauch auszuschalten, wollen wir wenigstens über den erzwungenen 
Gebrauch desselben Aufklärendes mitteilen. Bei der Einreibung grösserer 
Mengen von grauer Quecksilbersalbe in die Haut — sogenannte Inunktions 
kur — tritt sehr häutig eine entzündliche Anschwellung der Mundschleimhaut, 
und ein höchst lästiger Speichelfluss ein. Früher, d. h. vor 60 Jahren, schrieb 
man diesem Speichelfluss eine kritische Bedeutung bei, man glaubte nämlich in 
> der alten Schule, dass mit dem Speichel der Krankheitsstoff aus dem Organismus 
ausgeschieden würde, wegen dessen man eben die Quecksilbersalbe einreibeü 
liess. Man meinte irriger Weise:, dass die ganze Quecksilberkur ohne dem 
Eintritt des Speichelflusses nutzlos sei. In der neueren Zeit weiss man 
wenigstens, dass diese Ansicht eine vollständig verkehrte war, dass die miss 
bräuchliche Anwendung der Quecksilberkur den Speichelfluss im Gefolge haben 
müsse und eine starke Schwächung der Hriisenorgane veranlasse. Aber die* 
Inunktionskur, obschon ihr Schaden grösser als ihr Nutzen ist, findet noch 
immer ihre Anwendung, wennschon man bemüht ist, den Speichelfluss dabei- 
zu verhüten und in der That übt dieselbe ohne Speichelfluss dieselbe unter 
drückende Wirkung bei gewissen Krankheiten aus, die man nun einmal dem 
Quecksilber allein zuschreibt. Man ist daher in der neuesten Zeit bemüht, bei 
Anwendung jener Kurmethode die höchst lästige Zugabe des Speichelflusses so 
viel als möglich zu vermeiden. Wer das Unglück hat — wie z. B. beim 
Militär oder in öffentlichen Krankenhäusern, sozusagen zwangsweise einer 
Quecksilberkur unterworfen zu werden, der beachte folgende Winke: Das Zimmer 
muss häutig gelüftet, ebenso muss die Leib- und Bettwäsche täglich gewechselt 
werden. Durch Gurgelwasser reinige man die Mundschleimhaut von allen an 
hängenden Speiseresten und den etwa daselbst befindlichen Quecksilberteilchen und 
verhüte somit die durch letztere verursachte Beizung der Schleimhaut. Die gute- 
Wirkung des Wäschewechsels und der Lüftung erklärt sich aus der Beseitigung 
der Quecksilberdämpfe aus der Atmungsluft des Kranken, welche Dämpfe bis 
her bei der Einreibungskur wenig oder gar nicht beachtet wurden. Bei jeder 
Einreibung mit grauer Salbe bleiben Quecksilberteilchen auf der Oberhaut 
liegen, welche durch Verdunstung in die Luft übergehen. Diese Verdunstung 
wird wesentlich unterstützt durch die feine Verteilung des Quecksilbers durch 
die Temperatur des Körpers und des Zimmers, sowie durch die von der 
Haut ausgeschiedenen Wasserdämpfe. Die Quecksilberdämpfe, welche auf die 
Mundschleimhaut gelangen und diese reizen, sind die Ursachen der mit der 
Inunktionskur so häufig verbundenen Entzündung der Mundschleimhaut und des 
Speichelflusses. Beweis hierfür ist der Umstand, dass die genannten Krankheits 
erscheinungen um so mehr auftreten, jo niedriger und kleiner das Zimmer ist,, 
je weniger es gelüftet wird, je näher die Einreibungen in der Nähe des< 
Mundes vorgenommen werden, je seltener die Wäsche gewechselt wird. Mit 
einem Satze gesagt: Je günstiger die Bedingungen sind zur Schwängerung 
der den Patienten umgebenden Atmosphäre mit Quecksilberdämpfen. Dagegen 
hat man den Speichelfluss fast niemals auftreten sehen, wenn diese Uebelstände 
beseitigt wurden. 
Bei denjenigen Gewerben und Handwerken, welche viel mit Quecksilber zu? 
thun haben, sind Entzündung der Mundschleimhaut und Speichelfluss die häufigsten 
Erkrankungen infolge der unter diesen Umständen stattfin.denden Einatmung von
	        
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