Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Entzündungen der. Unterleib sorgane, Verstopfung mit ihren üblen Folgen 
und allerlei nervöse Zustände, weil nur der Nährwert in Betracht gezogen 
wurde, nicht aber die physiologische Nachwirkung der Speisen. Gewiss sind 
die althergebrachten Wochensuppen oder die einseitige Obstdiät auch noch 
nicht das Richtige, besonders für bleichsüchtige und lymphatische Personen 
— aber nie haben sie ernstlichen Schaden gebracht, da sie höchstens durch 
eine vorübergehend zu grosse Enthaltsamkeit den Wiederersatz der Kraft 
etwas aufhielten. 
Um die Ernährung während dieser Tage völlig entsprechend einzu 
richten, hat man drei Punkte besonders zu berücksichtigen: 1. den derzeitigen 
Zustand der Wöchnerin, 2. die allgemeine Körp erbe schaffenheit derselben, 
3. die Art der Säuglingsernährung. 
1. Der gegenwärtige Zustand der Wöchnerin wird bedingt 
durch den Geburtsakt, welcher den Körper derselben stark angegriffen hat; 
denn er erfordert eine aussergewohnliche Anspannung der Muskeln und des 
Nervensystems. Jede bedeutende Anstrengung zieht eine gewisse Er 
schöpfung nach sich, von welcher auch das Verdauungssystem nicht aus 
geschlossen ist, wie der mangelnde Appetit nach jeder Uebermüdung beweist. 
Ferner kommt der nervösö Zusammenhang des Magens mit den Geschlechts 
nerven in Betracht, der sich bei Störungen der Periode, bei Verlagerungen 
oder Vergrösserung des Mutterkörpers, auch wohl mit beginnender Schwanger 
schaft in krankhafter Weise offenbart durch Uebelkeit, Brechreiz, Druck und 
Krampf im Magen, Aufstossen etc., während der normale Zustand: Ver 
mehrung des Appetites während der Mutterschaft ist, der sich bis über 
die Zeit des Stillens hinaus erhält und gelegentlich leicht zur Unmässigkeit 
verführen kann. Aus gleicher Ursache entspringt das lebhafte Hungergefühl 
nach beendigter Geburt, das bei manchen Frauen selbst über das Ruhe 
bedürfnis hinausgeht. Wir haben also einerseits mit lebhaftem Reize, anderer 
seits mit einem gewissen Schonungsbedürfnis der Verdauungsorgane zu 
rechnen. Um beiden gleichmässig gerecht zu werden, hat man anfangs eine 
leicht verdauliche und reizlose Kost zu bieten, wie dies die altbekannten 
sieben Wassersuppen waren, die jeder Wöchnerin zunächst gereicht wurden. 
Die jetzt beliebten kräftigen Fleischbrühen mit Ei dürften diesen Anforde 
rungen wenig entsprechen. 
Ist schon das gesamte Nervensystem durch die Geburt stark erregt, 
das Blut in Wallung, so trifft dies den Unterleib umsomehr, als er die 
Hauptarbeit dabei zu leisten hatte. Ein starker Blutandrang nach dort ist 
daher selbstverständlich; er tritt unter normalen Verhältnissen bald zurück. 
Immerhin liegt in den ersten Tagen die Gefahr nahe, dass Entzündungen 
und Fieberzustände eintreten können. Ebenso fürchtet man das Festsetzen 
von Fäulnis- (Ansteckungs-) Stoffen auf der wunden Schleimhaut,, weshalb 
peinlichste Sauberkeit gesetzlich geboten ist. 
Ebenso ist es geboten, auch auf eine kühlende und beruhigende Diät 
zu halten, da ja Magen und Darm nachbarlich neben die Geschlechtsorgane 
gelagert sind und durch Nerven, Blut und Lymphgefässe in dauernden 
Wechselbeziehungen stehen. Wie wenig entspricht diesem Umstande der 
Genuss von Wein, der den Unterleib erhitzt und den Körper fieberhaft 
erregt. Trotzdem wird derselbe nicht nur nach, sondern auch während 
der Geburt als vielgepriesenes Stärkungsmittel gegeben und die entzünd 
lichen und fieberhaften Erscheinungen, die dem Genüsse folgen, werden mit 
dem Akt selbst, anstatt mit jenem in Verbindung gebracht. 
Aehnlichen irrtümlichen Anschauungen begegnen wir bei vorhandenen 
scharfen Ausflüssen, Geschwürsbildungen an den Geschlechtsorganen u. dgl. 
Nicht allein durch Fäulnisstoffe, welche von aussen in den Körper gebracht 
werden, entstehen solche Uebel, sondern täglich und stündlich bilden sich 
durch den Stoffwechsel im Organismus selbst Gifte, die, wenn sie nicht aus 
geschieden werden, zersetzend auf denselben wirken. Je ungeeigneter die 
Kost für den Menschen, desto schärfer entwickeln sie sich. Am häufigsten
	        
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