Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

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Die Wissenschaftlichkeit der Serumtherapie. 
G. Martin-Leipzig. , 
Von Zeit zu Zeit wird im medizinischen Heerlager die Lärm^ 
trommel so laut gerührt, dass ihr Schall die dicken Standesmauern 
durchdringt. Das „Vermischte“ der Tagespresse berichtet uns von 
Wunderheilungen, und die leidende Menschheit opfert dem neuen 
Moloch der Giftheilkunde Hekatomben von sauer verdienten Groschen. 
Das Ende sind leere Taschen, traurige Gesichter und frische Grab 
hügel. 
Wiederum stehen wir unter dem Zeichen einer „epochemachenden“ 
medizinischen Entdeckung. Heilserum nennt sich der Unrat, welchen 
man durch wissenschaftliches Beiwerk schmackhaft zu machen ver 
sucht. Die Reklamemethode ist diesmal äusserst geschickt, so dass 
sie selbst in unseren Reihen Opfer gefordert hat. 
Eben deshalb fühle ich mich gedrängt, den Vorhang ein wenig 
zu lüften, und meine das am erfolgreichsten zu thun, wenn ich der 
neuen Serumtherapie die unverdiente Ehre erweise, sie auf ihre 
Wissenschaftlichkeit zu prüfen. 
Welches sind aber die wissenschaftlichen Grundlagen dieser 
neuen Heilweise? Als neustes Kind der „neuen“ Schule stützt sie 
ihre Schlussfolgerungen auf die Krankheitserregende Kraft der Bazillen. 
In diesem Falle erzählt man uns von den Schändlichkeiten des 
Krebs-Löfflerschen Diphtheriebazillus „Mordgeschichten“. Er und nur 
er allein ist der Urheber der schrecklichen Diphtheritis. Wer ihn 
vernichtet, befreit unsere Kinderwelt von ihrem entsetzlichsten 
Würgengel. 
Heil uns, der Retter ist erstanden! 
Professor Behring fand im Blutwasser diphtheritisch infizierter 
Pferde ein sicher wirkendes „Heilmittel“. 
Fast möchte man auch als Anhänger der Naturheilkunde an 
»einen Fortschritt zum Vernünftigeren glauben, wenn man den Herrn 
Professor vom Pockeneiter des Barbiergehilfen Jenner zum Blutserum 
emporsteigen sieht. 
Denkt er etwa an die Alkaleszens (Salzhaltigkeit) des Blut 
wassers und seine antiseptische (bazillentötende) Wirkung? Will er 
sie durch eine rationelle Ernährung .erhöhen? 
Nichts von alledem. Ihm wird das Serum (Blutwasser) zu. 
»einem Verdünnungsmittel diphtheritischer Stoffwechselprodukte, einem 
Gifte, mit dessen Hilfe er den Diphtheriebazillus zu vernichten gedenkt. 
Doch bringen wir diese Gedankengänge einmal unter die Lupe 
wissenschaftlichen Beobachtens und Denkens. 
Ist der Krebs-Löfflersche Diphtheriebazillus wirklich der Krank 
heitserreger für die betreffende Krankheit, so müsste man auch durch Ein 
impfung desselben im stände sein, die gefürchtete Kinderkrankheit 
zu erzeugen. Dem gegenüber fasst Dr. med. Böhm in seinem Lehr 
buche der Naturheilkunde die wissenschaftlichen Forschungsresultate in 
folgende Worte zusammen: „Es ist noch nie gelungen durch Ein 
impfung Löfflerschen Diphtheriebazillus bei einem Tiere künstliche 
Diphtheritis zu erzeugen.“ 
Wenn wir nun noch weiter hören, wie Professor Kassowitz in 
Wien darauf hinweist, „dass man Diphtheriebazillen auch bei folli