Volltext: Der Naturarzt 1898 (1898)

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Siehst mich so freudig an, 
Hab meine Freude dran, 
Hurrah! 
Linkshändige aber müssten singen: 
Du Schwert an meiner Hechten, 
Du hast wohl Lust zum Fechten? 
Affen und Eichhörnchen sind Linkser, die meisten Raubtiere aber 
'Rechtser. Ein Kätzchen schiebt den Ball mit der linken, schlägt aber mit 
der rechten Pfote; Löwe und Tiger schmettern mit der rechten Pranke. Die 
Natur scheint die Linke zum Schutze, die Rechte zur Abwehr und zum An 
griffe bestimmt zu haben. 
Wie ist es nun mit dem rechten und linken Fusse beschaffen? wird 
der geneigte Leser fragen. Der Anatom Bell meint: Ballettänzer machen 
-die schwierigsten Künste mit dem rechten Fusse, aber sie müssen den 
'linken Fuss, eben weil er schwächer ist, doppelt so viel üben als den rechten, 
rum bei ihren Kunstleistungen nicht ungewandt zu erscheinen. Werden 
■solche Uebungen versäumt, so wird der rechten Seite ein Vorzug gegeben, 
der die Anmut der Bewegungen stört. Gehen wir hinter jemand her, so 
werden wir selten eine ganz gleichmässige Bewegung bemerken; wir werden 
finden, dass der linke Fuss nicht so fest auftritt wie der rechte, und dass 
die Zehen mehr einwärts stehen als an diesem. Bei dem eigentümlichen 
Bau der Frauen und bei der Elastizität ihres Schrittes, die mehr durch die 
Bewegung der Knöchel als der Hüften entsteht, zeigen sich Gebrechen des 
linken Fusses, wenn sie vorhanden sind, auffallender in ihrem Gauge. Kein 
Knabe hüpft auf dem linken Fusse, wenn er nicht links ist. Der Reiter 
setzt den linken Fuss in den Steigbügel und schwingt sich mit dem rechten 
.auf. Die natürliche Beschaffenheit des Körpers giebt der rechten Hand den 
Vorzug, der keineswegs willkürlich ist. Wer links ist, fühlt am meisten die 
Vorzüge dieser Einrichtung von dem Oeffnen einer Zimmerthüre bis zum 
•Oeffnen eines Federmessers.“ 
Schwerlich wird der Leser völlig mit der Auffassung des berühmten 
Anatomen übereinstimmen. Zunächst hinken wir nicht am liebsten auf dem 
rechten Beine, springen sogar mit dem linken Fusse ab, treten mit ihm an 
und bemerken leicht, dass der Körper für die Rechtshändigkeit einen Aus 
gleich in der Linksfüssigkeit sucht. Ein Sprung mit rechtsseitigem Abstoss 
ist uns durchaus unbequem ; jedenfalls aber finden wir bei den Füssen nur 
selten die scharfe Gebrauchsgewohnheit wie bei den Händen. 
Der Schwerpunkt des Körpers ruht offenbar auf der linken Seite, 
denn Herz und Magen geben ein Uebergewicht, mithin hat das linke Bein mehr 
zu tragen als das rechte; ist daher auch kräftiger als dieses. 
Einige Gelehrte meinen, dass das Nervenzentrum für die Ausdrucks 
bewegung auf der linken Seite des Gehirns liege, mithin, nach physio 
logischen Prinzipien, die gegenüberliegende Körperseite ihm zugeordnet sei, 
weshalb die Rechtshändigkeit naturgemäss wäre. Wir hätten damit einen 
.schlagenden Beweis für die aktuelle Thätigkeit der rechten Hand gewonnen 
und müssten, um den Gegner recht an dem Ursprung seiner That zu strafen, 
ihm einen Schlag auf die linken Partien seines Schädels geben, wodurch 
.allein er zur Raison gebracht werden könnte. 
Sollte nun nicht das auch für den Gebrauch der rechten Hand sprechen, 
dass sie gerade für die linke Seite des Schädels eingerichtet ist, die rechte 
aber ihr unerreichbar bleibt? 
Damit wären wir vielleicht in die richtige Ohrfeigentheorie geraten und 
könnten entwickeln, dass wir rechtshändig geworden seien, um linksseitige 
Ohrfeigen zu geben, wodurch freilich der linken Backe Gelegenheit würde, 
sich über stiefmütterliche Behandlung seitens der Natur zu beklagen. In 
diesem Falle aber könnte man auf die strengen polizeilichen Gesetze hin- 
weisen, welche Ohrfeigen verbieten; leider aber müsste sich dann die Natur 
gefallen lassen, dass man in pplizeilicfien Verordnungen naturgemässe Er 
gänzungen zu erblicken geneigt wäre.
	        
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