Volltext: Der Naturarzt 1897 (1897)

326 — 
Die Heilung der Bleichsucht. 
W. Fricke, 1. Vors, des Naturheilvereins Bielefeld. 
Dem Publikum, dem nach der .Gesundheit so sehr verlangenden f 
muss es wie ein Mühlrad im Kopfe herumgehen, wenn in den ver 
schiedenen Heillagern die 1 verschiedensten Rettungsmittel für ein und 
dieselbe Krankheit verordnet werden. Wir fanden in einem weit 
verbreiteten Familienblatte für Bleichsüchtige interessante Ratschläge. 
Mit Recht wendet sich der Verfasser eingangs gegen das krebsartig' 
wuchernde' Geheimmittelunwesen, giebt an, dass bei der Bleichsucht 
die Zahl der eisenhaltigen Blutkörperchen oft auf die Hälfte redu 
ziert sei, welchem Fehler abgeholfen werden müsse. Aber wie?' 
Gemüse sind nach dem Verfasser, einem Arzte, als nutzloser Ballast 
zu bezeichnen. Der Kranken hilft nichts anderes als Fleisch, ge 
hacktes, rohes, wohl gesalzenes und gepfeffertes Filet. Es folgt dann 
der Speisezettel: 
8 Uhr: Frühstück: einen Wielschen Fleischkuchen, hernack 
Peccothee. 
12 Uhr: Mittagessen: Suppe ä la reine mit Einlage von zer 
hacktem Geflügelfleisch. 
4 Uhr: Abendessen: Wildbraten, Peccothee. 
8 Uhr: Nachtessen: Hammelskoteletten, Wein. 
Ob wohl eine einzige Bleichsüchtige nach diesem Rezepte geheilt 
worden ist?* Wir glauben es nicht, sind auch überzeugt, dass wenige 
es angewendet haben, zunächst schon deshalb, weil es einen vollen 
Geldbeutel beansprucht, dann aber werden die meisten Kranken dieser 
Gattung mit Widerwillen früher oder später von diesem Fleischgenuss 
sich abgewendet haben. Der Instinkt lehrt einen andern Weg und 
zwar den, welchen die Naturheilmethode mit grossem Erfolg betreten 
hat, Sie weist darauf hin, dass die Bleichsucht (Chlorose) auf eine 
falsche Blutmischung zurückzuführen ist, die gehoben werden muss. 
Wenn die Natur zu heilen sucht, giebt sie auch die Wege durch die 
Neigung des Kranken zu diesem oder jenem an; sie entwickelt den 
Drang zu dem, was mangelt. Eine Bleichsüchtige wird aber nie einen 
übergrossen Appetit nach Fleischgenuss zeigen, und sollte eine 
Neigung nach dieser Seite auftreten, so wird sie bald verschwinden^ 
wodurch eben gesagt wird, dass der'Eiweissstoff des Fleisches nicht 
das Fehlende ist. 
Man hat vielfach die sonderbarsten Neigungen bei Chlorosen im 
Essen wahrgenommen; mit wahrem Heisshunger verzehren sie oft 
erdige Bestandteile, gerade wie Ziegen, die, mitten im üppigsten 
Grase stehend, sich vergnügen, die Rinde eines Baumes abzuschälen. 
Die Zusammensetzung der Milch kann uns einen Anhalt geben,, 
da sie, die assimilierbarste Nahrung, den normalen Blutbestandteilen 
in ihrer Mischung am nächsten steht. In 3500 g derselben sind 119 g 
Eiweiss, 126 g Fett, 168 g Zucker und gegen 25 g Nährsalze oder 
anorganische Bestandteile wie Kali, Natron, Kalk, Eisen u. s. w. 
Untersuchen wir nun das Blut des Menschen, so finden wir, dass 
demselben im allgemeinen die anorganischen Teile mangeln; dies aber 
ist am hervorragendsten bei Bleichsüchtigen der Fall. Gewiss 
bedarf der menschliche Organismus im grossen Masse des Eiweiss 
stoffes, dieser aber verlangt zu seiner Verbrennung Mengen von
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.