Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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und politischen Erleuchtung, die wir uns anmassen, nicht so gross 
ist, als wir glauben, und dass uns hingegen wesentliche Kenntnisse 
und Vorzüge mangeln, die sie hatten. 
Man hat im vorigen Jahr ein Volksbuch Aufmerksamkeit er 
regen sehen, weil es einige Ursachen des Sittenverderbens des Land 
volkes heiter auf deckte. Dieses Buch hätte 1611 in diesem Gesichts 
punkte wahrscheinlich weniger Aufmerksamkeit erregt, weil seine 
Grundsätze damals allgemein dekasit schienen; einmal redet eine da 
mals lebende hohe schweizerische Oherkeit in einem offenen Mandat 
über diesen Punkt selbst noch heiterer und bestimmter als der Ver 
fasser dieses Volksbuches ein und ein halbes Jahrhundert später davon 
redete; und ich kann mich nicht enthalten, Stellen aus dieser wich 
tigen Piece der schweizerischen Gesetzgebung abzuschreiben und 
solche mit wenigen Anmerkungen zum Inhalt meines heutigen Blattes 
zu machen. 
Die wichtige Stelle über den Einfluss der Schankhäuser in die 
Sitten der Nation — will ich von Wort zu Wort abschreiben. 
Wiewol wir wider das zehrhaft vertrunken liederlich Leben und 
lang sitzen bym Wyn, in Würts- und Gsellenhüssern, gute Mandat 
und Ordnungen gemacht und öffentlich vsgehn lassen, so will doch 
leider Gott erbarms, söllich vertrunken leben, schier allenthalben je 
länger je mehr zunemen, da etliche Kunden sich gar in die lieder- 
ligkeit ergebend, frü v. spaat in Würtshäusern sitzend, das jr mut 
williger Wyss verschwendend v. verthünd, und dadurch sich selbs 
und jr Wyb v. Kind in unnötige armut ja etwan gar zum Bätel 
richtend, dessen dan an vil orten vff vnser Landschafft die Würt ein 
grosse Ursach sind, dass si vmb jres eignen nuzes Willen, wider 
unsere Mandat sölliche liederlichen luch vfenthaltend, das Zehrgelt 
vfschlahend, v. dann vff jre güter schuldbrieff machend, welliche man 
dann verkaufft v. also darmit die liith nach v. nach gar von jren 
gütern v. vmb das jr kommend, dass sy aber sonst wol heten be 
halten mögen. Also an etlichen orten die Würt rych werdend; an 
andern orten aber auch etwan die Würt v. sölliche gest alles mit 
einanderen verdirbt; wie dann auch zu sollichem verderblichen Wesen 
dess zechens v. schlemmens, helffend die vnnötigen vnordentlichen 
Käuff v. daauss volgenden Wynkäuff, die vff unser Landschafft je 
lenger je gemeiner werdend, da man zusamen sitzt v. jederman in 
suffen ynhin isst v. trinkt, also das darmit etwann merklich vil gelt 
verzächt wird, zu wellichen vilmalen die Undervögt Weibel v. andere 
fürgesezten auch helffend, die es aber wehren sölten v. wol ab 
schaffen köndten. Zu dem das etwan söllicher liederlicher lüthen 
gfründte v. verwandte auch nit recht zun Sachen thünd wie sy schuldig 
werend, und den jren das vertrunken Leben wehrend, sonders zu 
sehend und sy das jr verthün lassend, wellich eilend liederlich Wesen 
daun die fürnembst vrsach so vil vffälen, armut v. Verderbens ist in- 
massen, dass man söllichem Vnwesen lenger nit mehr Zusehen kann, 
sonders Wir von Oberkeit wegen verursachet, ja genötiget werdend, 
darüber notwendig Insehen zethund, und der Handthabung unserer 
hier wider vsgegangenen Mandaten und Satzungen ernstlich nacli- 
zusezen. 
Derhalben so wellend wir vnsere wider die zehrhafte hiervor 
öffentlich im Truk vsgegangene Mandat hiemit widervmb erneuweret
	        
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