Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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„Das ist ein Mann, sagt der junge Apotheker, der hat die medizinische 
Wissenschaft so ganz inne, wie ich mein ABC; er weicht Euch von den Regeln 
der Alten um kein Jota, und wenn einer darüber krepieren sollte. Dem 
könnt Ihr alle Reichtümer der Welt bieten, und er wird Euch nicht mit an 
deren Mitteln kurieren, als mit denjenigen, welche die Fakultät vorschreibt.“ 
Er tritt übrigens auf; eine Bäuerin folgt ihm und bittet ihn dringend 
um Rat. 
„Herr Doktor, mein Vater wird alle Tage kränker.“ 
„Das ist nicht meine Schuld: ich verschreibe ihm meine Mittel, warum 
wird er nicht gesund? Wie oft hat er zur Ader gelassen?“ 
„Eünfzehnmal, Herr Doktor, in drei Wochen. (!) 
„Und er wird nicht gesund? Die Krankheit steckt also nicht im Blut. 
Wir werden ihn von nun an so oft purgieren lassen, um zu sehen, ob sie 
ihren Sitz nicht in den Säften hat . . 
Wie die damaligen Aerzte mit Aderlass und Purganzen verfahren, sehen 
wir in diesem Auftritt, und es ist wieder keine Uebertreibung des Dichters. 
So war es in der Wirklichkeit, und bekanntlich wurde der König Ludwig XIV. 
selbst so behandelt von den Leibärzten. Ein Glück für ihn, dass er eine beinahe 
riesenhafte Natur gehabt hat. 
Jetzt stehen zwei Doktoren bei dem armen Provinzialen, der nichts ahnt, 
und natürlich glauben sie, mit einem Geisteskranken zu thun zu haben. 
Zunächst eine lange, lange Rede, in welcher der erste Doktor sich ausspricht 
über die Verrücktheit im allgemeinen und deren Ursachen, und in welcher in 
dem üblichen Phrasenschwall lateinische Citate, Aeskulap, Galen, „der göttliche 
Greis“ Hippokrates, die Griechen, die Römer et cetera Vorkommen. 
Die Gegenrede des zweiten Arztes, ist nichts anders als das Lob der 
ersten; nur setzt der Doktor den zuerst genannten Heilmitteln einige andere 
hinzu, nämlich Umschlag (Cataflesma) mit Salz um die Stirne — das Salz sei 
das Symbol der Weisheit — und natürlich ein Klystierchen — als Präludium. 
Die Konsultation ist so treffend wahr, dass es immer behauptet worden, der 
schon genannte Arzt und Freund Molieres, Mauvillain, habe sie dem Dichter 
in die Feder diktiert. Mauvillain stand nicht auf gutem Fusse mit den 
Kollegen der Fakultät, und es ist festgestellt, dass er Moliere wiederholt 
geholfen hat in dem rastlosen Krieg gegen die Medizin. 
Briefkasten. 
Altona. Ottensen. In der Regel gilt eine Ehe zwischen Onkel und Nichte ge 
sundheitlich nicht für ratsam. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Da es sich in 
Ihrem Fall um Stiefgeschwister handelt, scheint es weniger bedenklich. Enen ent 
scheidenden Rat zu geben ist gerade in solchen Fällen unmöglich. 
New-Vork. Auf meine diesbezügl. Anfrage in Wörishofen erhielt ich folgende 
Antwort: „Die amerikanischen „Kn. Bl.“ sind nichts anderes als ein zu Reklame 
zwecken für gewisse Firmen bewerkstelligter litterarischer Diebstahl. Wir 
haben bereits Schritte gethan, um der Gesellschaft das Handwerk zu legen.“ 
An Mehrere. Von den Ausführungen des Geheimrat Prof. Dr. Schwenninger, 
des Leibarztes des Fürsten Bismarck, ist es nicht möglich den Wortlaut zu erhalten. 
Die Berichte, auch die ausführlicheren, tragen naturgemäss den Stempel der Subjektivität 
des Berichterstatters. So viel geht aber aus allen Berichten hervor, dass der b e - 
rühmte Arzt sich gegen jeden Staatszwang in der Impffrage 
entschieden ausgesprochen hat. 
W. Glauchau. Ich bedaure, Ihnen nicht raten zu können. Sie müssen sich schon 
direkt an Verlagsanstalten wenden. 
Schluss der Redaktion: 16. Juni. 
Verantw. Redakteur: Dr. med. Schulze, pract. Arzt in Berlin. 
Commissions-Verlag und Druck yon Wilhelm Möller, Berlin S., Prinzenstr. 95.
	        
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