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Nicht selten wendet man gegen die hier vertretene Diät ein, daß
dadurch den Verdauungsorganen zuviel Ballast zugeführt werde. In
der That enthalten Gemüse und Obst in den Blättern, Stengeln und
Schalen viel Holzstoß (Cellulose), der nur bei ganz jungem Gemüse
zum Teil mit verdaut wird, meist aber den Körper unverdaut verläßt.
Nun ist durch zahlreiche Versuche erwiesen, daß Pferde, die nur
Kraft-, aber kein Rauhfutter (Heu, Häcksel, Sägespäne usw.) bekommen,
zu Grunde gehen, daß also eine gewisse Menge Ballast für sie not
wendig ist, um die Därme zu kräftiger Bewegung anzuregen. Fleisch
fressende Tiere dagegen bedürfen wenig Ballast. Fleisch und Blut,
das sie genießen, wird bis auf geringe Reste verdaut. Der Mensch
steht hinsichtlich der Länge wie der Weite seiner Därme zwischen
den Pflanzen- und Fleischfressern, ist also sicher darauf eingerichtet,
mit der Nahrung eine Menge Ballast aufzunehmen. Eine gewisse Vor
sicht dürfte nur bei dem aus ungebeuteltem Mehle hergestellten Schrot
brot notwendig sein, da es scheint, als wenn die darin in großer Menge
vorhandenen Getreidehülsen bei dauerndem Genüsse den Darm zu
stark reizten. Wären die menschlichen VerdauungsOrgane auf kon
zentrierte Nahrungsmittel eingerichtet, so würde der Ernährung durch
künstliche Nährgemische — in denen man auf Grund der in der
Retorte gemachten Versuche die verschiedenen Nährstoffe bis aufs
Gramm genau abzuwägen im stände wäre — nichts im Wege stehen.
Manche Retorten-Physiologen hätten das längst versucht und in unserer
hastenden Zeit als zweckmäßigste Art, sich „gut, billig und schnell*
zu nähren, empfohlen.
Beiträge zur Geschichte der Naturheilkunde.
Zu Vincenz Frießnitz’ 95. Geburtstage am 4. Oktober.
Philo vom Walde.
(Schluß).
Alles dies aber war nur dazu angethan, um die Freiwaldauer Aerzte
immer noch mehr zu reizen und auch die deutschen Mediziner aus dem
Häuschen zu bringen. Ich will nur einzelne Stellen aus dem Kobbe’schen
Buche herausdrucken, die hierher gehören: „Es ist aber auch lächerlich, wie
sich viele der legitimen Jünger Aeskulaps hier betragen. Sie sind größten-
teüs von ihren Regierungen und andern Anstalten hierher geschickt, um bei
Prießnitz die Wasserheilkunde zu studieren. Nichts destoweniger bleiben
die meisten von ihnen in Freiwaldau und conferieren mit Tierarzt Weiß,
Prießnitzens Gegner, der sie alle freundlich und collegialisch aufnimmt, aber
doch hinter ihrem Rücken über die Eilfertigkeit lacht, womit diese jungen
Herren ihren Aufenthalt verkürzen. Sie thun in der That nichts anderes,
als daß sie einige Gläser Wasser trinken, ein Douchebad nehmen, die Bade
wannen ausmessen, vornehm über Prießnitz raisonnieren, ihn für einen
Charlatan erklären, dessen Heilmethode durchaus nichts Neues enthalte, sich
an einige unzufriedene Hypochonder, deren es in Freiwaldau und Gräfenberg
fortwährend eine große Anzahl giebt, anzuschließen, diese gegen Prießnitz
aufzuhetzen, ihnen wohl gar noch einige Medizin einzureden — und so gegen
die Gräfenberger Hausordnung zu sündigen, deren § 4 den ausdrücklichen
Passus enthält: „Ich sehe mich genötigt, im Falle Aerzte hier anwesend
sein sollten, diese zu ersujchen, sich eines jeden Urteils gegen die hiesigen
Kurgäste zu enthalten; im Falle aber ihnen dies nicht möglich sein sollte,
die Anstalt lieber baldmöglichst zu verlassen“. Man glaubt indessen nicht,
mit welcher unvernünftigen Arroganz die Aerzte auch auf dem Gräfenberge
auftreten . • . Doch findet sich auch manches Apostelgemüt, wie der Brief