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Dollars bauen. Wie in allem, ist auch hier Amerika wieder das Land der
grossen Dimensionen. Doch dürfen wir Deutschen ebenfalls zufrieden sein mit
dem Erfolge im eigenen Lande. Welche einigermassen grössere Stadt hätte
nicht ihren oder ihre Naturärzte. Die Sache geht trotz alles sich
Dagegenstemmens der Allopathie vorwärts, und passen Sie auf, wir Wer
dens noch erleben, selbst die strengsten Schulmediciner veralgamieren sich
allmählich und schliesslich werden sie alle das, was wir sind: Naturärzte.
Für jedes Ding kommt seine Zeit. Wir können aber dazuthun, dass die
Sache etwas schneller geht, wenn wir heiss und inbrünstig werben, wenn
wir es wie die ersten Christen machen, von denen ein jeder zum Märtyrer
seiner Ueberzeugung wurde und bereit war, für sie in den Tod zu gehen. Das
meine ich für heute nicht mehr wörtlich. Wer eine sichere Existenz für
seine Ueberzeugung opfert, ungewiss ob er eine neue dafür eintauschen
wird, die ihn nährt, ist gleichfalls ein Märtyrer. Und deren giebt es unter
uns genug; alles Männer, die den Mut haben, für das einzutreten, was sie
als richtig erkennen. Leider steht aber neben den vielen braven Leuten
auch so mancher, dem die Naturheilkunde nur Mittel zum Zweck ist,
manch anderer, der uns und unsere Sache Schande macht. Gegen solche
Bönhasen können wir uns nicht genug wehren, sie schaden der gesamten
Bewegung ungemein, weil sie diejenigen sind, von denen die grosse Masse
am meisten hört, und zwar nichts Gutes. Die Wenigsten wissen die Sache
von ihren Vertretern zu trennen, werfen beides zusammen und verurteilen
infolgedessen beides. In vieler Augen erscheint die Naturheilmethode
wohl auch deshalb in zweifelhaftem Lichte, weil ihre Vertreter zumeist
Laien sind, „Pfuscher“, wie sie so gern von unseren Gegnern genannt
werden. Nun, ich kann nur sagen, dass ich vor dem Streben und wohl
auch vor dem Wissen mancher dieser Laien meinen Hut tiefer ziehe, wie
vor diesem oder jenem, dem das Selbstbewusstsein jedes Vorwärtsschreiten
auf dem Wege der Erkenntnis hemmt; und es wird wohl nicht mehr all
zulange dauern, bis wir so viel akademisch gebildete Naturärzte haben,
dass der Laienarzt eine seltene Erscheinung wird. Nötig ist allerdings
— das muss einmal gesagt werden —, um den Kampf mit dem studierten
Schulmediziner aufzunehmen, zunächst eine viel umfassendere allgemeine
Bildung für die meisten Naturheilkundigen, und dann ganz besonders eine
eingehende Fachschule, speziell in Physiologie und Pathologie. Nicht jeder
besitzt die innere Kraft* sich allein weiter zu bilden, und selbst für diese
bleibt das vorzüglichste aller Mittel verschlossen, der anatomische An
schauungsunterricht an der Leiche, der uns ganz andere klare Bilder vom
Bau des Körpers und der Lage der einzelnen Organe giebt, wie selbst
die beste Abbildung. Ich weiss dafür nur einen genügenden Ersatz, das
ist das Wachsmodell. Wenn dasselbe gut garbeitet ist, so kann sein
Wert als Lehrmittel sogar noch über dem natürlichen Präparat stehen.
Hierbei fällt mir eine Geschichte ein, die einen mir von früher bekannten
und wert gewordenen Naturheilkundigen betrifft. Sie zeigt, welches Streben
nach Weiterbildung öfters in solch einfachem Manne vorhanden ist. Der
Betreffende behandelte einen Kranken, der einen grossen Abcess am Ober
arm hatte. Andämpfungen, Leinsamen, heisse Kompressen und alles, was
man anwendet, um derartige Geschwüre zum Aufgehen zu bringen, waren
erfolglos; da entschloss sich unser „Doktorehen“, das Ding zu öffnen.
Aber als Mann von Vorsicht, ging er zunächst zweimal nach der nächsten
Stadt, in der sich ein gutes anatomisches Wandermuseum befand und
studierte die Blutgefässe des Armes, um bei seinem Einschnitte die Nähe