Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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Dollars bauen. Wie in allem, ist auch hier Amerika wieder das Land der 
grossen Dimensionen. Doch dürfen wir Deutschen ebenfalls zufrieden sein mit 
dem Erfolge im eigenen Lande. Welche einigermassen grössere Stadt hätte 
nicht ihren oder ihre Naturärzte. Die Sache geht trotz alles sich 
Dagegenstemmens der Allopathie vorwärts, und passen Sie auf, wir Wer 
dens noch erleben, selbst die strengsten Schulmediciner veralgamieren sich 
allmählich und schliesslich werden sie alle das, was wir sind: Naturärzte. 
Für jedes Ding kommt seine Zeit. Wir können aber dazuthun, dass die 
Sache etwas schneller geht, wenn wir heiss und inbrünstig werben, wenn 
wir es wie die ersten Christen machen, von denen ein jeder zum Märtyrer 
seiner Ueberzeugung wurde und bereit war, für sie in den Tod zu gehen. Das 
meine ich für heute nicht mehr wörtlich. Wer eine sichere Existenz für 
seine Ueberzeugung opfert, ungewiss ob er eine neue dafür eintauschen 
wird, die ihn nährt, ist gleichfalls ein Märtyrer. Und deren giebt es unter 
uns genug; alles Männer, die den Mut haben, für das einzutreten, was sie 
als richtig erkennen. Leider steht aber neben den vielen braven Leuten 
auch so mancher, dem die Naturheilkunde nur Mittel zum Zweck ist, 
manch anderer, der uns und unsere Sache Schande macht. Gegen solche 
Bönhasen können wir uns nicht genug wehren, sie schaden der gesamten 
Bewegung ungemein, weil sie diejenigen sind, von denen die grosse Masse 
am meisten hört, und zwar nichts Gutes. Die Wenigsten wissen die Sache 
von ihren Vertretern zu trennen, werfen beides zusammen und verurteilen 
infolgedessen beides. In vieler Augen erscheint die Naturheilmethode 
wohl auch deshalb in zweifelhaftem Lichte, weil ihre Vertreter zumeist 
Laien sind, „Pfuscher“, wie sie so gern von unseren Gegnern genannt 
werden. Nun, ich kann nur sagen, dass ich vor dem Streben und wohl 
auch vor dem Wissen mancher dieser Laien meinen Hut tiefer ziehe, wie 
vor diesem oder jenem, dem das Selbstbewusstsein jedes Vorwärtsschreiten 
auf dem Wege der Erkenntnis hemmt; und es wird wohl nicht mehr all 
zulange dauern, bis wir so viel akademisch gebildete Naturärzte haben, 
dass der Laienarzt eine seltene Erscheinung wird. Nötig ist allerdings 
— das muss einmal gesagt werden —, um den Kampf mit dem studierten 
Schulmediziner aufzunehmen, zunächst eine viel umfassendere allgemeine 
Bildung für die meisten Naturheilkundigen, und dann ganz besonders eine 
eingehende Fachschule, speziell in Physiologie und Pathologie. Nicht jeder 
besitzt die innere Kraft* sich allein weiter zu bilden, und selbst für diese 
bleibt das vorzüglichste aller Mittel verschlossen, der anatomische An 
schauungsunterricht an der Leiche, der uns ganz andere klare Bilder vom 
Bau des Körpers und der Lage der einzelnen Organe giebt, wie selbst 
die beste Abbildung. Ich weiss dafür nur einen genügenden Ersatz, das 
ist das Wachsmodell. Wenn dasselbe gut garbeitet ist, so kann sein 
Wert als Lehrmittel sogar noch über dem natürlichen Präparat stehen. 
Hierbei fällt mir eine Geschichte ein, die einen mir von früher bekannten 
und wert gewordenen Naturheilkundigen betrifft. Sie zeigt, welches Streben 
nach Weiterbildung öfters in solch einfachem Manne vorhanden ist. Der 
Betreffende behandelte einen Kranken, der einen grossen Abcess am Ober 
arm hatte. Andämpfungen, Leinsamen, heisse Kompressen und alles, was 
man anwendet, um derartige Geschwüre zum Aufgehen zu bringen, waren 
erfolglos; da entschloss sich unser „Doktorehen“, das Ding zu öffnen. 
Aber als Mann von Vorsicht, ging er zunächst zweimal nach der nächsten 
Stadt, in der sich ein gutes anatomisches Wandermuseum befand und 
studierte die Blutgefässe des Armes, um bei seinem Einschnitte die Nähe
	        
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