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Schon durch den Wegfall der Arzneimittel, wegen ihrer billigen, raschen und
durchgreifenden Erfolge hat die Naturheilmethode bei zahlreichen Mitgliedern der hie
sigen Ortskrankeokasse Eingang gefunden und es besteht bei ihnen der lebhafte Wunsch,
dass künftig sie und ihre Angehörigen stets nur nach den Grundsätzen der Naturheil
methode behandelt werden. Sie haben diesen Wunsch bereits dem Vorstand durch
Ueberreichung einer Petition kundgegeben und gestatten sich, im Anschluss daran zu
bemerken:
1) Sie erkennen nur solche als Naturärzte an, die, auf den oben gedachten
Grundsatz fussend, alle Krankheiten nur durch die natürlichen Heilfaktoren und ohne
Zuhilfenahme von Medikamenten, Impfstoffen, oder Geheimmitteln heilen und zugleich
die Kassenmitglieder durch Wort und Schrift darüber aufzuklären suchen, wie auf natür
lichem Wege Krankheiten verhütet werden.
2) Sie richten die ergebene Bitte an den Vorstand der Ortskrankenkasse, bei An
stellung von Kassenärzten möglichst solche zu berücksichtigen, die die natürlichen Heil
faktoren in dem oben gedachten Sinne bei der Heilung von Krankheiten anwenden und
damit eine Gewähr dafür geleistet wird, dass die auszuwählenden Personen auch jene
Heilmethode kennen, bei deren Anstellung nach Möglichkeit darauf zu sehen ist, dass sie
wenigstens ein Jahr nach den Grundsätzen des Naturheil Verfahrens praktiziert haben
oder den Nachweis dafür erbringen, dass sie in einer Naturheilanstalt oder bei einem
tüchtigen Naturarzt ausgebildet worden sind.
3) Sie gestatten sich ganz ergebenst, um die bestehenden Unbequemlichkeiten bei
der Herbeiziehung eines Naturheilkundigen zu beseitigen, dem geehrten Kassenvorstand
folgenden Vorschlag zu unterbreiten: Ist ein Mitglied erkrankt und hat es zu seiner Be*
handlung einen Naturheilkundigen gerufen, so hat es dies beim Kassenbureau und dem
aufsichtsführenden Arzt schriftlich anzuzeigen. Erfolgt darauf keine Erwiderung, so ist
anzunehmen, dass der Vorstand mit der Behandluug gemäss § 11 der Statuten ein
verstanden ist.
4) Da die Krankenhäuser eine Behandlung ihrer Kranken nach den Grundsätzen der Natur
heilmethode nicht zulassen, so ersuchen die Unterzeichneten den geehrten Kassenvorstand,
mit den bestehenden Naturheilanstalten Vereinbarungen über die Aufnahme erkrankter
Mitglieder gegen möglichst billige Bezahlung zu treffen, beim hiesigen Stadtrat aber
dabin zu wirken, dass er im Krankenhause eine Abteilung für die Behandlung
Kranker nach der Naturheilmethode oder ein eigenes Krankenhaus für deren Anhänger
einrichte.
Leipzig, Februar 1894.
In grösster Hochachtung
Die beauftragte Kommission.
Auch in einer Spinnerei in Leipzig-Plagwitz, wo 1600 Personen be
schäftigt sind, bitten 1200 um Anstellung eines Naturarztes in ihrer
Fabrikkrankenkasse.
Es wäre nur zu wünschen, dass überall die Anhänger der Natur
heilkunde in ihren Krankenkassen in derselben Weise vorgingen, dann
wird man auch behördlicherseits einsehen, dass das Krankenkassengesetz Härten auf-
weist, welche geändert werden müssen, wenigstens insofern, dass auch die Naturheil
kundigen zu Recht zugelassen werden.
Die Sozialgesetzgebung soll dem gesamten Volke zugute kommen;
daher dürften nicht einem beträchtlichen Teile des Volkes Hüter über
Leben und Gesundheit aufgezwungen werden, zu denen es kein Ver
trauen besitzt.
Bundesnachrichten.
Aus der Sitzung des Bundesvorstandes am 5. März 1894. Berlin,
Naturheilanstalt. Anwesend sind die Herren Schmeidel, Braun, Damaschke,
Bichter, Dr. Schulze, später Siegert.
Der Schriftführer legt das Kopierbuch mit Schreiben nach Braun
schweig, Buikhardtsdorf, Chemnitz, Darmstadt, Eisenach, Frankfurt a. O.,
Friedrichsfeld, Glauchau, Hamburg, Hanau, Hettstedt, Hüttensteinach,
Leipzig, Loburg, Magdeburg, Meran, Seiffersdorf, Weimar vor.
Es wird zunächst über das ünterstützungsgesuch eines Naturheil
kundigen beraten, welcher freigesprochen worden ist, dessen Prozess