Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

Blattern starb, als ob nicht Hundertlausende von Geimpften, sogar Kinder, 
dasselbe Schicksal erduldeten. So unwrssend sind unsere gebildeten Klaffen, 
sogar hohe Behörden in solchen Fragen. Ein anderer gewesener Minister 
glaubt an den Impfschutz, weil er sich wiederholt impfen ließ und bet allen 
Epidemieen verschont blieb. Als ob nicht selbst 3mal geimpfte Soldaten zu 
Tausenden erkrankt wären! Ein dritter hoher General trat in der sächsischen 
Kammer für den Impfzwang in die Schranken, weil seine Soldaten, die 
vacctniert waren, ohne Nachteil in Frankreich in den Betten von Blattern 
kranken geschlafen,waSrnan bet nicht geimpften, und auch nicht revaccinterten armen 
Leuten oft genug beobachten kann, die sogar, wie Dr. Keller in Stadclau sah 
und aus Polizeiberichten in Wien hervorgeht, mit Blatternkranken in einem 
Bett lagen. 
Dasselbe gilt von den Geschichten über Ansteckung und Einschleppung 
von gewissen Krankheiten. Mein Vetter behauptet, von seinem Sohn, der an 
Diphtheritts erkrankte, angesteckt worden zu sein, während meine Schwester, 
die ihren Sohn in Dresden aus Mangel einer Wärterin während solcher 
Krankheit allein pflegen mußte und mit dem abscheulichen Auswurf zu thun 
hatte, ganz gesund blieb, ebenso alle anderen Personen im Hotel, wo sie war. 
Auch bei der Großherzoglichen Familie in Darmstadt erkrankte Niemand von 
der nächsten Umgebung des Kranken, noch von den 60 Angestellten im Schlosse. 
Bezüglich des Typhus erzählte mein Neffe, daß auf einer entlegenen Meierei, 
die von Holzmachern bewohnt wird, von einem Burschen, der aus dem Saatzer- 
Land kam, wo der Typhus herrschte, diese Krankheit eingeschleppt worden 
sei. Aber ich konnte nicht erfahren, ob dieser Bursche unten wirklich mit 
einem Typhuskranken in nähere Berührung kam, und ob auch die Personen, 
die im Hose erkrankten, mit ihm zu thun hatten. Dagegen war mein kleiner 
Neffe einige Jahre früher im Schlosse Duppau am Typhus erkrankt, und ob 
wohl keine Isolierung stattfand, erkrankte niemand, weder von der Familie, 
noch von der Dienerschaft. Unlängst meldete auch ein Fachblatt aus Berlin, 
man habe sich in den dortigen Spitälern überzeugt, daß der Typhus von 
Person zu Person nicht ansteckend sei. Auch bei dem jetzigen Typhusfall in der 
Familie des Erzherzogs Carl Ludwig wurde nichts von einer Ansteckung bekannt, 
obwohl die Stiefmutter die halben Nächte bei der Kranken zubrachte, 4 Aerzte 
aus- und eingingen und jedenfalls auch mehrere Wärterinnen um sie be 
schäftigt waren, wenn überhaupt eine strenge Isolierung stattgefunden. Was 
die Cholera betrifft, so har schon Prof. Sicgmund 3 873 durch eine statistische 
Aufnahme nachgewiesen, daß in 2 Jahren 1870—71 auf mehr als 800 Schiffen 
aus Choleragegcnd kommend, in italienischen Häfen einliefen, weder während 
der Ueberfahrt, noch in den Quarantaincn selbst eine einz'ge, auch nur der 
Cholera verdächtige Erkrankung vorgekommen ist, geschweige denn sich später 
irgendwo bei den Reisenden entwickelt hat. Dagegen erschien sie 1830, wie 
Prof. Vogt erwähnt, trotz dreifachen Militairkordons und trotz Standrecht in 
Ungarn dennoch in Wien, die absolute Nutzlosigkeit aller solcher Maßregeln 
dort, und, da sie eben überall sich später entwickelt, wie alle epidemischen Krank 
heiten, wo es dafür disponible Individuen giebt. 
Durch solche einzelne Beobachtungen und persönliche Erfahrungen ist 
daher die Frage deS Impfschutzes und der Ansteckung nicht zu lösen, denn 
da steht immer Erfahrung gegen Erfahrung; sie kann nur durch Erfahrungen 
im Großen entschieden werden. Diese sprechen aber entschieden gegen den 
Impfschutz, sowohl wie gegen die Verbreitung von epidemischen Krankheiren 
durch Ansteckung, da außerordentliche Umstände, wie Krieg, Hungersnot rc. 
abgerechnet, stets nur ein ganz kleiner Bruchteil, meist der ärmsten Klaffen,
	        
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