Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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und die etwa^ mangelnde Bewegung^wird durch aktive und passive Gymnastik 
und Masiage zu erreichen gesucht. Ja, aber von all diesen Heilfaktoren will 
Kneipp nichts wissen, da er, wie er selbst sagt, sie nicht geprüft hat. Auch 
die Anwendung der Elektrizität ist den Kneipp'schen Ansichten mcht entsprechend. 
Wenn man nun das Fazit über die Kneipp'sche Wasserkur zieht, so 
kann man getrost zugeben, daß die Anwendungsformen gute sind, aber nur 
dann, wenn die Krankheit eine solche Behandlung zuläßt, und wenn Verhält 
nisse, wie sie in Wörishofcn vorhanden, zu Gebote stehen. Wenn man aber 
als praktischer Arzt in der Stadt Patienten zur Behandlung bekommt, die sich 
wohl behandeln lassen wollen, aber ohne dabei ihrem Lebensberuf oder häus 
lichen Pflichten Abbruch zu thun, so wird man nicht einfach sagen können: 
„Ich werde Sie nach Kneipp behandeln." Es geht nicht, aus dem Grunde, 
weil zur Kneipp-Kur viel, sehr viel Bewegung notwendig ist. Der Patient 
aber, dem früh 1 Stunde und 1—2 Stunden abends zu Gebote stehen, wird 
bei einer streng durchzuführenden Kur unmöglich die Wärme produzieren 
können, die notwendig ist, um ein Wohlbehagen zu erzeugen; er wird viel 
mehr, wenn er während der Bewegung sich wirklich erwärmt hat, sobald er 
auf seinen Bureauschemel sich hingesetzt hat und 6—8 Stunden sitzt, stets von 
einem Frostgefühl befallen werden, das ihn den ganzen Tag nicht 
mehr verläßt. 
Demnach ist die Kneipp'sche Wasserkur kein selbständiges System, weil 
ein solches allen Bedingungen gerecht werden muß; sie ist vielmehr einseitig 
und nur ein Glied in dem gesamten Gebiet des Naturheilverfahrcns. 
Und daß ich mit meiner Auffassung nicht allein dastehe, mögen die Worte 
des Redakteurs der „Wörishofer Blätter", Dr. Walser, dem man doch gewiß 
nicht Voreingenommenheit gegen die Kneipp'sche Kur vorwerfen wird, gelten, 
der da sagt: Die Wörishofer Blätter ..... haben das gesamte moderne 
Naturheilverfahren, von dem die Kneipp's che Methode anerkannter 
maßen nur einen Teil bildet, in das Bereich ihrer Betrachtungen 
gezogen.*) 
Es bleibt nur noch übrig, die Nebenfaktoren der Kneipp'schen Kur zu 
erwähnen und auf einzelne Widersprüche hierbei hinzuweisen. 
So sogt z. B. Pfarrer Kneipp in seinem Buche „Meine Wafferkur": 
Das Waffer heilt alle heilbaren Krankheiten. Wozu wird denn aber von ihm 
im zweiten Teile des Buches eine Apotheke mit Tinkturen, Oelen, Blumen 
und Kräutern angepriesen? Entweder heilt das Wasser allein, und dann braucht 
man keine Apotheke, oder man braucht die Apotheke, und das Waffer ist nicht 
Universalhellmittel. Kneipp sagt: Er gebe die Heilkräuter nur, wenn die Patienten 
nicht die nötige Zeit hätten, also zur Beschleunigung. Nun, wenn das die 
Heiltränklein im stände sind, wozu dann der umständliche Apparat der Waffer- 
prozeduren?! Kneipp eifert gegen alle giftigen oder doch wenigstens stack 
reizenden Mittel, um in seinem „Wühlhuber I" sich sofort in Gegensatz zu 
seinen Anschauungen zu bringen. Er verordnet hierbei 15 gr Aloe auf 
90 gr Abführpulver. Wahrlich, eine solche Dosts verordnet der Allopath 
nur in den verzweifeltsten Fällen, und hier wird sie als Hausmedizin in die 
Hand gegeben! Ferner sind die Kneipp'schen Abführpillen, deren Hauptbestand 
teil Rhabarber ist, einer anderen Kategorie zuzuzählen, als die bllanntcn 
Brandt'schen Pillen? 
•) Unser Neifser Vereinsarzt Dr. Ehrlich hat von Wörishofen genau dieselben An 
schauungen heimgebracht, wie sie hier Dr. Körner klarlcgt, und wie sie der Bundesredakteur 
von Ansang an vertreten hat. D. Red.
	        
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