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unerbittliche Dämon, Lungenschwindsucht, seine Geissei auf die zurück
gelassenen Kinder; von 4 zu 4 Jahren holte er sich eines dieser Opfer,
nur die treue Mutter, welche noch heute lebt, blieb trotz innigen Verkehrs
mit den Kindern von dieser Krankheit verschont, während eine sonst schein
bar rüstige Nachbarsfrau, welche schon in ziemlich vorgerücktem Alter
stand und die Pflege des letzten Sohnes übernommen hatte, nach kaum
einem halben Jahre derselben Krankheit erlag.
Eine andere urwüchsige Bauernfamilie verschwand in einem Zeit
raum von 5 Jahren von der Bildfläche, obgleich man seit Menschengedenken
in dieser Bauernfamilie die Lungenschwindsucht nicht kannte. Der etwas
stolze, beiläufig bemerkt, einzige männliche Bauernsprosse heiratete ein
blasses, wie sich später herausstellte, lungenschwindsüchtiges Mädchen,
welches die Krankheitskeime ins Haus brachte, zunächst ihren Ehegatten
ansteckte, welchem schliesslich der Vater, die Mutter und zu guterletzt die
beiden, bis dahin noch gesunden und ausser dem Hause wohnenden Ge
schwister, welche die Eltern in ihrer Krankheit bis zum Tode verpflegten,
folgten.
Cornet, dessen Buch: „Ueber die Tuberkulose“ ich jedem, der sich
für diese Frage interessiert, empfehle, weist mit geradezu verblüffender
Schlagfertigkeit auf die hohe Sterblichkeitsziffer an der Lungen
schwindsucht unter den Kiankenpflegeorden hin, bei welchen die Sterb
lichkeitsziffer an der Schwindsucht eine so grosse ist, dass man behaupten
kann, das Loos einer Krankenpflegerin sei der frühzeitige Tod an Lungen
schwindsucht. ^Dr. F. Engelmann will beobachtet haben, dass in einem
Hause seit 8' Jahren kein einziger Lungenschwindsuchtsfall vorkam,
während nachdem ein schwindsüchtiges Ehepaar dasselbe bezog und dort
selbst verstorben war, nicht nur die diesen Leuten nachfolgenden Mieter,
sondern auch ein Teil der übrigen Hausbewohner an derselben Krankheit
erkrankten und ihr zum Opfer fielen, und zwar 12 in zwölf Jahren.
Dr. Lehmann beschreibt in der „Deutschen medizinischen Wochenschrift“
1886 Nr. 13 folgenden Fall: „Im Jahre 1879 nahm in einer kleinen rus
sischen Stadt ein an hochgradiger Lungenschwindsucht leidender Jude die
Beschneidung von etwa 16 jüdischen Kindern nach dem bekannten jüdischen
Ritus vor und saugte die Operationswunde an 10 Kindern mit dem Munde
aus, während bei den übrigen die Wunde von anderen Personen ausgesaugt
wurde. Von den 16 Kindern, welche der schwindsüchtige Jude beschnitten
hatte, blieben nur diejenigen gesund, welchen er nicht die Wunde aus
gesogen hatte, während die übrigen 8—12 Tage nachher in einer und
derselben Weise erkrankten. Es bildeten sich an der Operationswunde
kleine Knötchen, welche in flache Geschwüre übergingen, und nach drei
Wochen schwollen bei allen 10 Kindern die Leistendrüsen an und gingen
alle teils unter den Erscheinungen der tuberkulösen Gehirnentzündung,
Eiterungen und Marasmus zu Grunde.
Die Impftuberkulose, welche entweder durch verunreinigte Lymphe,
durch die Impftechnik selbst, indem Giftstoffe an der Impflanzette haften
bleiben, oder durch unreine Lymphe von Hause aus entstehen kann, ist
gleichfalls ein Beweis für die Contagiosität der Tuberkulose.
Ausserdem ist mir ein Fall aus der Litteratur erinnerlich, in welchem
ein Professor, welcher sich mit bakteriologischen Tierversuchen beschäftigte,
seinem Hausdiener, von dem er wusste, dass er ein Antikontagionist war,
die strengste Weisung erteilte, seinen zu Experimentszwecken mit ver
trocknetem Auswurf Lungenschwindsüchtigei* verunreinigten Versuchsraum