Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Vergiftung darnieder. Welche Qualen ich in jener Zeit durchduldet, das spottet jeder 
Beschreibung. Ich lernte dazumal an eine Hölle auf Erden glauben. Mit kolossaler 
Energie und Ausdauer gelang es mir aber, trotz der furchtbarsten Krämpfe und Schmerzen 
in jenen Monaten von 24 Gran auf ®/ 4 herunterzugehen, eine Willensleistung, die selbst 
dem Prof. Billroth das höchste Staunen abgerungen hatte. Kaum dass ich wieder am 
Schreibtisch sitzen konnte, begann ich mit neu erlöstem Körper und Geist meinen „Odilo". 
Seit jener Zeit stieg ich mit meiner Morphiumdosis nie mehr höher als 2y a Gran, aber 
durch die Länge der Zeit wirkte doch auch dieses kleine Quantum immer verderblicher 
und verstärkte die Schmerzen fast intensiver, als es dieselben milderte. Kurz, mein Lehen 
lag eben in dämonischen Giftbanden, und Tag und Nacht musste ich mit Schmerzen 
ringen. Und doch, wie Sie ja wissen, war ich immer noch produktiv dabei. Da endlich, 
nachdem ich am 6. Dez. 1885 von einer hochgradigen Bronchitis befallen worden und 
nach zwei Wochen wieder davon genesen war, fasste ich den heroischen Entschluss, so 
gleich im Bette liegen zu bleiben, meinen neuen Boman in Gottes Namen auf unbestimmte 
Zeit liegen zu lassen und einen neuen Kampf mit dem Dämon Morphium zu beginnen, 
eben diesmal auf Lehen und Tod . . . Was eine solche völlige Morphiumentziehung 
bedeuten will, welchen äussersten Aufwand von Energie und Ausdauer sie erfordert, das 
weiss heutzutage fast jeder Laie. Müssen sich doch sogar fast alle morphiumkranken 
Aerzte dieser schrecklichen Kur in besonderen Heilanstalten unterwerfen. Nur sehr selten 
■gelingt diese völlige Entziehung dem Einzelnen daheim ohne strenge ärztliche Aufsicht. 
Ich selber habe — ich sage dies mit gerechtem Mannesstolz — dies Willenskunststück 
ganz allein an mir fertig gebracht, und schon nach drei und einer halben Woche, freilich 
voll der qualvollsten Tage und Nächte, war ich vollständiger Sieger über diesen ver 
derblichen Morphiumsatan! Alle hiesigen Aerzte staunten wieder über diese Kur, und, 
was die Hauptsache ist und alle früheren ärztlichen Diagnosen zu Schanden machte, meine 
früher so qualvollen Schmerzen, die durch Injektionen immer nur momentan gemildert, 
aber fort und fort verstärkt wurden, sie sind nun fast völlig geschwunden, stören meine 
^Stimmung gar nicht mehr und werden ohne Zweifel noch völlig aufhören, wenn meine, 
13 Jahre lang durch dieses Gift misshandelten Nerven sich noch mehr erholt haben werden. 
Feiere ich darum nicht mit Recht einen stolzen Triumph des Willens?“ Der überglückte 
Dichter schwelgt noch mehrere Seiten lang im Bewusstsein seines „ Willenstriumphes 
berichtet über seine dichterischen Pläne und ist voll Arbeitslust, jetzt, wo er ein „neues 
Leben“ beginnt. Aber der unglückliche Mann hatte zu früh triumphiert, nur auf kurze 
Zeit konnte er den Dämon bannen, dann kam er wieder. In einem seiner nächsten Briefe 
heisst es: „Ich habe sehr, sehr lange geschwiegen Als ich Ihnen mit völlig 
zerrütteten Nerven geschrieben, konnte dies nur unter heftigsten Schmerzen und mit 
grösster Anstrengung geschehen. So litt und vegetierte ich fort bis zum Herbst. Da 
endlich, als es gar nicht mehr auszuhalten war, musste ich mich, sogar auf den Bat der 
Aerzte, zur Wiederaufnahme meiner Moiphiuminjektionen entschlossen, die ich nach 
furchtbar schwerem und siegreichem Kampfe für Lebenszeit glaubte überwunden zu haben. 
Sie können sich denken, mit welch unseligen Gefühlen ich wieder zu diesem Gifte griff." 
Die verzweifelten Anstrengungen des Dichters waren also vergeblich gewesen, der 
„Morphiumsatan“ hatte wieder Gewalt über ihn, bis der Tod, diesmal ein milder Erlöser, 
dazwischen trat und den Kranken in bessere Gefilde entführte.“ 
Frage: Was sind alle den sogenannten „Kurpfuschern“ mit dem Ton sittlicher 
Entrüstung vorgeworfenen und zum Teil gerichtlich abgestraften Sünden gegen Leben 
und Gesundheit gegen solche Verwüstungen, wie sie die offiziell getriebene und nicht 
bloss geduldete, sondern beschützte Schulmedizin mit ihren narkotischen Mitteln anrichtet? 
Prof. Dr. Jäger. 
Impfung. 
Um den Widerstreit der Meinungen über gute und schlechte, echte und unechte 
Lymphe beizulegen, giebt Dr. med. Böhm, Dresden, in der September-Nummer seiner 
„Aerztlichen Zeitschrift“ (Seite 34) über Gewinnung der sogenannten Schutzpockenlymphe 
folgende hochinteressante Aufklärung: „Sehen wir einmal zu, was denn die Schutzpocken 
lymphe vom heutigen Standpunkte der ärztlichen Wissenschaft für ein Ding ist? Hierzu 
müssen wir die Art und Weise der Lymphegewinnung uns vor Augen führen. Aus den 
angestochenen Blattern eines geimpften Kindes wird die aussickernde Flüssigkeit ent 
nommen. Diese wird alsdann auf eine Impflanzette gethan und mit dieser werden auf 
dem Bauche eines Kalbes lange seichte Schnitte gemacht. Nach vier Tagen ist etwa die 
ganze Bauchfläche des Kalbes, besonders aber die Schnittränder, hochgradig entzündet 
und mit endzündlicher Ausschwitzung getränkt. Nunmehr wird mit einem scharfen
	        
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