Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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Der Liebe, die der Menschensohn gepredigt, 
Ihr hat die Menschheit klügelnd sich entledigt. 
Als Wortwerk gilt sein Evangelium, 
Als Narretei ureignes Menschentum. 
Die hehre Wissenschaft ward heut zur Dirne, 
Riß selbst das Diadem sich von der Stirne, 
Treibt mit dem Hohen, Heil'gen Witz und Spou, 
Verneinend frevelnd den lebendigen Gott. 
Wer just den Doktorhut trägt, der darf lehren, 
Darf Recht in Unrecht ungestraft verkehren, 
Darf über Blüt' und Blume ziehn sein Netz, 
Darf eifern gegen das Naturgesetz. 
Fürst Alkohol regiert auf gold'nem Throne, 
Der Hunger peitscht das Volk zu harter Frohne, 
Die Ueppigkeit sitzt obenan am Mahl, 
Der lieben Not zutrinkend den Pokal. 
Im Rassenhaß und Hader der Parteien 
Thät sich die alte Einigkeit entzweien, 
Und was nur immer Großes möcht' erstehn — 
Es fiel ein Reif darauf, es mußt' vergehn. 
Doch, Freunde, wißt: Das Wahre, Schöne, Gute — 
Ob's lang auch still gleichwie in Gräbern ruhte, 
Ob schnöd man ihm entzog das Lebenslicht: — 
Es kommt der Tag, da's alle Fesseln bricht! 
Dann braust's wie Lenzsturm rings durch Berg' und Thäte, 
Zerbröckelnd alte morsche Götzenmale, 
Erweckend mit des Schöpfungswortes Macht 
Die neue Welt in wundersamer Pracht. 
Schon ist im Ost ein ahnungsvolles Grauen 
Des Völkerfrühlings hoch vom Berg' zu schauen, 
Es wächst, es rötet sich, ein lichter Schein 
Dringt mir durch's Aug' in's trunkne Herz hinein. 
Drum laßt durch nichts die Hoffnung euch gefährden — 
Der Menschheit muß ein großes Ostern werden. 
Das Schwert zur Hand! Kampfmutig immerdar! 
Dies sei die Losung auch für's neue Jahr. — 
Philo vom Walde. 
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