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gedehnt wird. Hierauf werden die verordneten Kuren, entweder in pneum. liegendem oder
sitzenden Dampf bade, Dreiviertel-, Ganz- oder Vollpackungen mit darauf folgendem Bade be
stehend, oder Sonnenbad — Massage — schottischen Packungen u. s.w. vorgenommen. Nach
dem dieselben vorüber sind, begeben sich die Kurgäste auf die zweite Barfusspromenade,
auf die hier im besten Zustande befindlichen Strassen, entweder nach Wildenau oder
Ella oder nach dem sogenannten „Freitagsgute u , um sich durch ein Glas guter Butter
milch zu laben; nach Rückkehr auf einem anderen Wege tummelt man sich noch einige
Zeit auf den Spielplätzen des hohen Ottenstein es, umgeben mit seinen reizenden, schat
tigen Naturanlagen. Mittags 7 a l Uhr beginnt das gemeinschaftliche Mittagsmahl,
welches ebensowohl für Vegetarianer als für gemischte Kostesser schmackhaft ausge-
gestattet ist und täglich ausser zweierlei Gemüse — grünes und trocknes — aus Obst,
Schrotbrot und einer Nachspeise besteht. Als Fleisch wird nur verabreicht: Rind-,
Kalb-, Huhn und seltener Hammelbraten, ab und zu auch Forellen. Nach Aufheben
der Tafel macht man eine kleine Runde (die Herren spielen bei ungünstigem Wetter
eine Partie Billard) und begiebt sich dann auf sein Zimmer, um J / 2 Stunde Mittagsruhe
zu halten, ln der dritten Stunde beginnen die Nachmittagskuren, bestehend in kleineren
Packungen — Sitz- und Rumpfbädern, und die Gäste, welche solche nicht nöthig haben,
begeben sich auf eine grössere oder kleinere Tour in das herrliche sächsische Erzgebirge,
kommen entweder zu Bahn oder zu Fuss nach Hause, wo selbstredend tüchtig barfuss
gegangen wird, zumal man hier vom Publikum nie in irgend einer Weise belästigt wird;
man sagt höchstens: „Das sind die OttensteinerI‘‘ und lässt sie ruhig gehen. Dienstag
und Freitag sammelt sich die Schaar Nachm. 1 / 2 6 Uhr im Park (bei ungünstigem Wetter
im Kursaal), um dort gemeinschaftlich unter Leitung ihres Direktors zu turnen, bei
welchem Stab- und Freiübungen vorgenommen werden. Jeden Donnerstag findet un
mittelbar nach dem l / 2 l Uhr täglich beginnenden Abendbrot ein Vortrag über irgend
eine Krankheit (Ursache, Wirkung und naturgemässe Behandlung) statt, welcher in der
Regel s/4 Stunde in Anspruch nimmt. Von 8 Uhr an begiebt man sich noch einige Zeit
ins Freie, auf den nahen Taden oder Ottenstein, um dort noch einige gemeinschaftliche
Spiele zu machen, oder man schiebt noch eine halbe Stunde Kegel. Ausserdem ist
wöchentlich zur Belustigung der Kurgäste entweder ein gemeinschaftlicher Ausflug unter
Leitung des Direktors oder ein Sternschiessen mit Preisverteilung und unter Umständen
ein kleines Tänzchen. Bei ungünstigem Wetter bieten die Gesellschaftszimmer genügend
Gelegenheit zum Zeitvertreib; hier findet man Schachspiel, Rollet um die Marken, Dame
spiel, Skatkarte, allerhand andere Gesellschaftsspiele, Pianino, Guitarre, Zeitungen vieler
Art, Billard und Wurfspiele. Ausserdem finden unter den Gästen Musikabende statt,
bei welchen gesungen und auch deklamiert wird, Wöchentlich ist zweimal Konzert von
der Stadtkapelle, welche Vorzügliches leistet. Abend 9 Uhr ist Schluss und beginnen
die Nachtpackungen. So bei guter Luft, fröhlicher Laune und Spiel, gepaart mit zweck
mässiger Behandlung und Ruhe ist Veranlassung gegeben, dass die „Ottenstein" be
suchenden Gäste ungern scheiden, doch aber gesund oder mindestens gebessert die An
stalt verlassen.
Heilberichte.
Magen- und Darmleiden. Am 10. September v. J. erkrankte ich und wurde
vom Vorstände der Fabrikkrankenkasse zu einem bestimmten Arzte (Mediziner) geschickt,
welcher meine Krankheit als Magenkatarrh erklärte. Da dieser mich aber bis Ende
Oktober ohne jeglichen Erfolg behandelte, beantragte ich, mich einem andern Arzte zu
überweisen, was mir von der Krankenkasse auch gewährt wurde. Dieser entgegnete auf
meine Bemerkung, dass die Behandlung des vorigen Arztes nicht die rechte gewesen sei,
dieselbe sei wohl sehr richtig gewesen, er wollte mir aber etwas anderes verschreiben,
Als nach Verlauf von weiteren vierzehn Tagen auch keine Besserung sich bemerkbar
machte, meinte er, ich hätte jedenfalls zu Hause nicht die richtige Pflege, darum wäre
es das Beste, wenn ich nach dem Krankenhause ginge, was ich am 12. November auch
that. Nach der sofort nach meinem Eintreffen vorgenommenen Untersuchung wurde fest
gestellt, dass meine Krankheit Darmentzündung sei. Da aber auch hier nach längerem
Aufenthalt meine Schmerzen nicht nach liessen, sich zu dieser Darmentzündung nur noch
Krampfanfälle und Reissen gesellten, richtete ich an den Vorstand der Krankenkasse
unter Beschreibung meiner Leiden die dringende Bitte, mir die Erlaubnis zum Verlassen
des Krankenhauses zu erteilen und mich in die Behandlung eines Naturheilkundigen zu
geben, was mir auch nicht versagt wurde. Am 12. Dezember verliess ich das Kranken
haus, und am 13. d. M. wurde ich zu dem Masseur und Naturheilkundigen Jul. Hoppe