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Anerkennung aussprechen zu könne«. Ich meine, es sei an der Zeit, der
Frage der Verantwortlichkeit aller behandelnden Aerzte, der studierten und
nicht studierten, einmal unter dem Gesichtspunkte der verfassungsmäßigen
Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz näher zu treten. Ich zweifle
nicht, daß sich da auch juristisch feststellen lassen wird, daß, wenn bei einem
Geheimen Medizinalrat der Rechtssatz: „Volenti non fit iniuria" (dem, der
einer Behandlung zustimmt, geschieht durch dieselbe kein Unrecht), schützend
gegen den Vorwurf „fahrlässiger Tötung" eintritt, dasselbe auch für den ge
wissenhaften Naturarzt, der nach seiner Ueberzeugung, die vielleicht etwas
fester begründet ist wie die des „Geheimen Medizinalrates", seine ihm ver
trauenden Patienten behandelt, bei etwa eintretenden „nicht fahrlässig ver
schuldeten" Todesfällen um so mehr gelten muß.
Ende April 1891.
Für unsere Frauen.
Von Dr. med. Georg Zenker, Leipzig.
(Fortsetzung.)
Die menschliche Gestalt wäre mehr oder weniger ein formloser Klumpen,
müßte sie des Stützgerüstes der Knochen entbehren. Der der Kugelform
ähnelnde Schädel sitzt auf der Wirbelsäule auf, diese wieder ruht auf dem
Hinteren Teile des Beckens, und das Becken wird von den beiden Säulen der
Ober- und Unterschenkelknochen getragen, die jede in die breite Fläche des
Fußskelettes auslaufen. Wie der Schultergürtel, von dem die oberen Glied
maßen ausstrahlen, einen losen, so bildet das Becken einen festen Knochenring,
oder noch besser einen Trichter, dessen weite Oeffnung nach oben, dessen engere
nach unten gerichtet ist. Diese untere Oeffnung wird während des Lebens
durch den sogenannten Beckenboden, eine aus Muskeln und elastischen Bändern
gebildeten Platte geschlossen, in welcher nur für den Darminhalt und anderer
seits für die Absonderungen der Harn- und Geschlechtsorgane Austrtttsstellen bleiben.
Die Innenseite des Beckens ist mit Weichteilen bekleidet. Auf diesem weichen Muskel
polster ruhen in sicherem Schutze jene Organe des Weibes, iu denen sich das Werden
und Wachsen eines jungen Lebens vollzieht: die Eierstöcke, die Eileiter und die
Gebärmutter oder der Uterus. Letztere ist ein birnförmiger Hohlmuskel mit
einer unteren Ausgangsöffnung und einer längsgerichteteten Höhlung, der
mit seinem oberen Teile, dem sogenannten Grund, etwas nach vorn neigt und
durch eine Reihe besonderer Bänder in seiner Lage befestigt wird. Die Gebär
muttermuskulatur besitzt nun eine ans wunderbare grenzende Eigenschaft; sie
vermag in ganz kolossaler Weise an Umfang und Dicke zuzunehmen und in
rascher Zeit zur alten Form zusammenzuschrumpfen. An keinem andern
Muskel beobachten wir etwas Gleiches. In der Uterushöhle entwickelt sich
das Kind, indem sich das Eichen an einer Stelle der Wandung anheftet und
wie die junge Pflanze Würzelchen treibt, feine mit Sauggefäßen versehene
Zöttchen in diese hineinschickt, um so die innigste Verbindung mit der Mutter
herzustellen.
Nach einfachen physikalischen Gesetzen wird fich der Form einer Höhlung
auch die Form des darin zu bildenden Körpers anpassen, es wird also ent
sprechend der von oben nach unten gerichteten Längenachse der Gebärmutter
der kindliche Körper gleichfalls die Längslage einzunehmen suchen und sich
damit zugleich in der für die Geburt günstigsten Weise einstellen. Meist liegt