Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Daher wird es ungleich leichter werden, in Städten, wo namentlich 
letztere Verhältnisse besser gestaltet sind, der Naturheilmethode den gewünschten 
Eingang zu verschaffen. Und daß dies heut noch nicht genügend geschehen, 
liegt nicht zum geringsten Teile an den Vertretern der Naturheilmethode selbst. 
Man sehe sich die Schriften von Munde, Rauhe, den „Natur- und Volksarzt" 
u. a. an; überall findet man einen äußerst polemischen Ton gegen die bis jetzt 
herrschende Heilmethode. Man möge mir glauben — denn ich spreche aus 
eigener Erfahrung — daß durch die so schroffen Angriffe viele, die gewillt 
wären, wenigstens einen Versuch mit unserer Behandlungsweise zu machen, 
abgestoßen werden, von der Meinung ausgehend, daß eine Sache, wenn sie gut 
ist. sich selbst den Pfad ebnet. Daher geht meine Meinung dahin, vor allem 
alle diejenigen Fälle, womöglich mit vollem Namen, in beu Zeitschriften 
anzuführen, die von Ärzten aufgegeben und durch die Naturheilmethode geheilt 
worden sind. Sodann mögen einzelne Krankheiten oder Gruppen von Krank 
heiten mit ihren anatomischen Veränderungen in den einzelnen Aufsätzen 
besprochen werden und daran im Vergleich anschließend die physiologischen 
Grundsätze der bisherigen und der Naturheilmethode. Ich glaube dann sicher, 
daß man damit mehr erreicht, als auf dem bisherigen Wege. 
Einige Irrtümer moderner Erziehung. 
von Frau Klara Mache, geb. Schwarz. 
(Fortsetzung). 
Von Binden und Wickelungen sehe ich ab. Es ist anzunehmen, daß den 
dringenden Mahnungen wohlmeinender Ärzte dieser alte Zopf gewichen ist. 
Ein Gleiches gilt wohl auch von der Wiege, wo sie nicht etwa dem mächtigeren 
Gebot, der Mode zufolge, als unentbehrliches Möbel für eine altdeutsche 
Schlafzimmereinrichtung ihren Einzug hält. Aber auch die hitzenden Federbetten, 
welche die Ausdünstungen der Haut festhalten, sind für die Kleinen ungeeignet, 
was die strampelnden Füßchen erkennen lassen. Dabei folgt der ziemlich starken 
Bettwärme vollständige Entblößung, welche Ursache starker Verkältungen wird, 
denn noch ist die junge Haut nicht genügend abgehärtet d. h. sie hat noch nicht 
die Kraft, den rasch wechselnden Temperaturen entsprechend sich zusammen zu 
ziehen und auszudehnen. ' Die Sitte der Amerikaner, welche die Säuglinge 
schon auf Roßhaarmatratzen betten und mit weichen, wollenen Decken oder 
Röckchen bedecken, ist der unsrigen entschieden vorzuziehen. In den milderen 
Jahreszeiten bringe man den Neugeborenen bald ins Freie und zögere nicht 
erst 3—4 Wochen. Im Spätherbst bereite man ihn allmählig durch Aufenthalt 
in Zimmern mit geöffneten Fenstern auf seinen Ausgang vor. Man bedecke 
aber das Kind nicht mit dichten seidengefütterten Decken dabei, weil es ^ sonst 
wenig Vorteil von dem Spaziergang haben wird, wenn ihm die Luft vor der 
Nase abgeschnitten wird. Ein leichter Schleier genügt, den scharfen 
Luftzug abzuhalten. 
Ein weiterer sehr verbreiteter Irrtum ist es, die Gesundheit und das 
Gedeihen des Säuglings nach seiner Schwere und Gewichtszunahme zu beurteilen. 
Es hat sich in neuerer Zeit ein wahres Mastsystem entwickelt, dessen Blüte in 
Baby-Ausstellungen Amerikas zu suchen ist. Doch findet der gleiche Wahn 
auch in unserem Vaterlande zahlreiche Verehrer. Wie können wir aber der 
Natur Vorschriften machen, in welcher Weise sie die schon von Geburt an 
verschieden gearteten Wesen heranbilden will! Zeigt sich denn die Lebenskraft 
in Umfang und Schwere des sie bergenden Leibes oder nicht vielmehr in der
	        
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