Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Obwohl also insgesammt ohne eigentlichen physiologischen Zweck, muß die Ohr 
muschel dennoch zu verschiedenen Dingen herhalten, als da sind: zum Ohren 
ziehen fauler Schüler, zum Einhängen von Ohrringen, eine barbarische, mit 
einem bestimmten Aberglauben verbundene Unsitte, die immer mehr und mehr 
schwindet, und — zu Erkrankungen! 
Wie die Nase, gehört auch die Ohrmuschel zu den am meisten aus 
gesetzten Körperteilen, und da sie von den Wenigsten überhaupt beachtet und 
gepflegt nnrd, so neigt sie leicht zu Blutstockungen und „Erkältungen", gleich 
den so viel gequälten Füßen, die durch das enge, anhaltend drückende Schuh- 
werk allerdings chronisch kalt werden. Aber auch die Ohrmuscheln sind 
anhaltendem Drucke ausgesetzt, wenn auch nicht so heftigem, und zwar durch 
das Schlafen auf der Seite, was wir wohl kaum werden abstellen können. 
Der äußere Gehörgang zieht als ein leicht spiralig gewundener Kanal 
in das Innere des Schädels und zerfällt in einen äußeren knorpeligen und 
einen inneren knöchernen Abschnitt; er ist mit feinen Borstenhaaren und mit 
einer Anzahl von Drüschen ausgekleidet, die eine hellgelbe, dicke, fettige, stark 
riechende, bitterlich schmeckende Absonderung liefern, das Ohrenschmalz genannt. 
Daß der Gehörgang geknickt.ist, hat den Vorteil, daß die Schallwellen 
nicht in voller Stärke, sondern etwas gedämpft an das Trommelfell gelangen, 
, welch' letzteres das äußere Ohr vom Mutelohre abgrenzt. 
Das Ohrenschmalz, welches ständig, wenn auch in normalem Zustande 
spärlich abgesondert wird, hat emmal den Zweck, Staubteilchen vom Trommel 
fell abzuhalten, das Trommelfell vor den Einflüssen wechselnder Witterung 
einigermaßen zu schützen und dann besonders dieses stets und ständig geschmeidig 
zu erhallen, damit seine Schwingungsfähigkeit keine Einbuße erleide. 
Wie häufig kommt es vor, daß mair auf dem einen Ohre zeitweilig nicht 
hört, weil man auf der betreffenden Seite geschlummert hat? Entweder ist in 
diesem Falle momentane Verdickung des Trommelfelles durch Blutstauung, oder 
aber Verklebung durch hintergepreßtes Ohrenschmalz eingetreten. 
Das Trommelfell selbst ist nur vermittelst des Ohrenspiegels sichtbar; es 
liegt nach allen drei Dimensionen (Ausdehnungen) des Raumes ausgespannt, 
wodurch cs abermals beim Eindringen allzu starker Schallwellen vor Zerreißen 
besser gehütet ist, wie bei vollkommen senkrechter Stellung. Das Trommelfell 
bildet eine durchscheinende, gut durchblutete, radiär (strahlenkranzartig) angelegte, 
leicht an einer Stelle unterhalb des Mittelpunktes durchbrochene Haut. 
Wie ein über einen Kamm gespanntes und angeblasenes Seidenpapier, 
macht das Trommelfell die Schwingungen der bewegten Luft mit und ist für 
die Tonerzeugung überaus praktisch angelegt. Zugleich mit dem Abnehmender 
Schallwellen klingt das Trommelfell ab, sind seine Schwingungen vorüber, es 
schwirrt nicht erst lange nach, so daß wir jeden einzelnen Ton unterscheiden 
können und es nicht stets mit einem Tondurcheinander zu thun haben. 
Das Trommelfell schließt, nach dem Ende des äußeren Gehöiganges zu, 
das Mittelohr oder die „Paukenhöhle" ab, einen engen, unregelmäßig gestalteten, 
mit Luft gefüllten Raum. Die Paukenhöhle steht mit dem Hinteren Nasen 
rachenraum durch eine zuerst knöckerne, dann knorpelige Röhre, die Ohrtrompete, 
in Verbindung, damit in dem Mittelohr die Luft nicht stagnirt und allzusehr 
erwärmt wird. Jedesmal, wenn wir schlucken, öffnet sich die Ohrtrompete, 
wodurch das „Ohrenknaxen" hervorgerufen wird. Jedesmal, wenn wir uns 
schnäuzen, wird wieder Luft hineingeblasen, was gleichfalls mit einem wahr 
nehmbaren Geräusch verknüpft ist. 
Die Luft in der Paukenhöhle hat einen doppelten Zweck: erstens können 
in einem Lufträume die in der Paukenhöhle aufgehängten Gehörknöchelchen
	        
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