Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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rohem Zustande, starke Weine oder Biere u. s. w-, womit man wohl im Stande 
ist, die geschwächte Natur augenblicklich anzuregen und zu beleben, aber nur, um 
nachher eine um so größere und reichhaltigere Erschlaffung des ganzen Körpers 
herbeizuführen. Die Frage, welche Nahrungsmittel nun denn eigentlich zur 
Kräftigung des geschwächten Nervensystems zu empfehlen sein würden, ist jetzt 
nicht mehr schwer zu beantworten. Den ersten und wichtigsten Nährstoff wird 
unstreitig die Milch bilden, welche alle Bestandteile enthält, die zur Bereitung 
eines gesunden Blutes nötig sind. Sie ist Speise und Getränk zu gleicher Zeit. 
Da sie indessen im Magen gerinnt und dadurch weniger leicht verdaulich wird, 
so ist sie eigentlich für einen schwachen Magen auch weniger geeignet und wird 
deshelb von manchen Kranken nicht gern getrunken. Beides läßt sich aber 
dadurch wieder gut machen, daß diese Kranken nur ganz kleine Portionen, aber 
desto öfter mit oder ohne etwas Weißbrot zu sich nehmen, und auf diese 
Weise sich allmählich an den Genuß dieses besten aller Nahrungsmittel gewöhnen. 
Nun ist es freilick nicht ganz gleichgültig, welcher Art die zu genießende Milch 
ist. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, daß diejenige Milch, welche 
direkt und unverfälscht von einer Kuh (oder von irgend einem anderen Milch 
gebenden Haustiere) kommt, wohl auch die gesündeste sein müsse; und so ist 
es auch; die Milch darf also weder verdünnt, noch abgerahmt, noch abgekocht, 
sondern womöglich gleich von der Kuh weg im Kuhstall getrunken werden. 
Das vorherige Abkochen wird sich nur dann empfehlen lassen, wenn man nicht 
ganz überzeugt ist, daß die Kuh, welche sie giebt, auch völlig gesund sei. Dieser 
letztere Umstand ist um so mehr zu berücksichtigen, als in der That die Auf 
zucht, Pflege und Ernährung der Tiere recht oft von dem abweicht, was man 
naturgemäß nennt. 
Nächst der Milch würden Eier in möglichst weichem Zustande genossen 
werden dürfen, aber nur äußerst mäßig, dann leichte Mehlspeisen, entölter 
Kakao, Suppen aus Hülsenfrüchten, leicht verdauliche Gemüse u. s. w. Bisweilen 
ereignet es sich, daß nervenschwache Personen infolge langjähriger Gewöhnung 
an Fleischgenuß ein so heftiges Verlangen nach diesem Nahrungsmittel empfinden, 
daß sie darunter zu leiden beginnen, wenn ihr Wunsch nicht erfüllt wird. In 
solchem Falle bleibt dann in der That nichts anderes übrig, als solches Ver 
langen durch Darreichung kleiner möglichst weicher Portionen frischem, aber 
mageren gut durchgebratenen Fleisches von Zeit zu Zeit zu stillen. Als Getränk 
bleibt immer nur das von der Natur gebotene frische, reine Wasser das beste, 
wie denn auch das Obst, besonders der Apfel, wie es der Baum oder der Strauch 
dem Menschen in reifem Zustande bietet, mit Weißbrot zusammen ein äußerst 
gesundes Nahrungsmittel bildet. Es genügt aber nicht, seine Aufmerksamkeit 
darauf bloß zu lenken, was man im nervenschwachen Zustande essen und trinken 
darf, sondern auch darauf, wie man Speisen und Getränke genießen soll, und 
in Bezug auf die letztere Frage haben diejenigen Regeln, welche schon von dem 
gesunden Menschen befolgt werden sollen, für den Kranken immer noch um so 
höheren Wert. 
Das gilt zunächst von der Art und Weise, wie die Speisen im Munde 
vorbereitet werden sollen, ehe sie in den Magen gelangen. Die Vorbereitungen 
sind von der Natur unseres Körpers vorgeschrieben, werden aber nichtsdesto 
weniger zum eigenen Schaden von vielen Menschen vernachlässigt. Dieselben 
bestehen in dem gehörigen Zerkleinern der Speisen und in dem genügenden 
Einspeicheln derselben, wozu stets eine bestimmte Zeit gehört, die sich der Mensch 
nehmen muß, wenn er gesund bleiben, oder wenn er gesund werden will. Fehlen 
ihm zu dem gehörigen Zerkleinern die nötigen Zähne, so muß er das Zerkleinern 
vorher auf künstlichem Wege z. B. mittelst des Wiegemessers vornehmen, so
	        
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