Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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hauptsächlich bezüglich der bitteren Mittel, Aloe rc., fast stets beobachtet habe. 
Ein einige Jahre später mir von meinem damaligen Regiments-Komman 
deur, Oberst v. N., zur Begutachtung vorgeführtes, vom Regiments-Roßarzt 
an Verdauungsstörung behandeltes, hochwertvolles Reitpferd fand ich ebenfalls 
schon in deutlichem Grade an Dummkoller leidend. Da die Verhältnisse (das 
Regiment begab sich von der Schießübung zum Manöver) eine Mitnahme 
und Behandlung bei der Truppe schwierig machten, so befürwortete ich Zurück 
lassung bei dem Quartierwirte des Herrn Obersten, einem gebildeten Landwirt, 
Einspannen des Pferdes in den Pflug und täglich 8—10ständige Arbeit bei 
ausschließlichem Grünsutter und einigen milden Wasserklystieren 
täglich. Einige Wochen nachher, nach Beendigung des Manövers, war das 
Tier kerngesund, konnte nach C. übergeführt werden und that noch mehrere 
Jahre unter seinem circa 225 Pfund wiegenden Herrn Dienste. 
Derselbe Oberst verlor durch denselben Tierarzt ein anderes wert 
volles Pferd in Folge unrichtiger Diagnose. Das Tier war wegen stark ge 
schwollenen Unterschenkels (linkes Vorderbein) mit verschiedenen Einreibungen, 
zuletzt fast 14 Tage mit grauer Salbe gegen „Sehnenscheidenentzündung" be 
handelt worden. Als Oberst v. N. mir das Tier vorstellte, war das Fuß 
wurzelgelenk selbst und von da ab bis zur Krone das ganze Bein elephanten- 
artig dick geschwollen, die Haut ganz verfettet und mit einer grauen Schmiere 
überzogen, alles steif, und es war unmöglich, eine bestimmte Diagnose zu 
stellen. Ich nahm das Tier in die Kur, von dieser selbst nähere Aufklärung 
erwartend. Das kranke Bein wurde bis über das Fußwurzelgelenk mit feuchten 
Wicklungen, Bädern und Massage behandelt. Nach 8wöchentlicher Kur 
schwanden die Anschwellungen des Schienbeines und der Sehne, nur das Fuß 
wurzelgelenk blieb verdickt und steif (unbiegsam). Ich mußte eine innere Ver 
wachsung im Gelenk vermuten und konnte demnach nur die Tödtung des 
Tieres vorschlagen. Die vorgenommene Sektion ergab die Richtigkeit meiner 
Vermutung. Der dreieckige Knochen war zersplittert gewesen und die Splitter 
nun sowohl unter sich, wie mit den benachbarten Knochen des Gelenkes ver 
wachsen. 
Das ursprüngliche Uebel hatte offenbar im Hufschlage eines andern, 
nebenstehenden Pferdes bestanden. Ich bin der Ueberzeugung, daß ohne die 
anfängliche Behandlung mit Salben und Quecksilber der zertrümmerte Knochen 
sich lediglich in sich selbst wieder würde vereinigt haben und das Gelenk brauchbar 
geblieben wäre. Jedenfalls hätte sich die durch Infiltration entstandene Schwellung 
des Unterschenkels und der Sehnenscheide des Hufbeinbeugers bei der Waffer- 
behandlung sehr schnell verloren und das Uebel wäre, als im Knie selbst 
sitzend, zeitig erkannt worden. 
Ein sehr drastisches Beispiel von unrichtiger Diagnose, welche aber, Dank 
der zur Anwendung gelangten Naturheilmetode, keinerlei schlimme Folgen hatte, 
erlebte ich in den 70er Jahren. Ein Pferd, das einzige nicht in vorzüglichem 
Futterzustande befindliche des Stalles, erkrankte nach Ansicht des Futtermeisters 
(Vicefeldwebels G.) an Kolik und die übliche Wasserbehandlung mit feuchten 
Einpackungen und Klystieren fand statt. Da ich auswärts war und sich die 
Krankheitssymptome komplicierten, ließ G. den Roßarzt rufen, welcher sein 
Verdikt auf Leberentzündung abgab und durchaus Medikamente (vielleicht 
Kalomel oder Brechweinstein) verschreiben wollte. Dem gegenüber berief sich 
der Futtermeister auf mein Verbot aller Arznei und fuhr die Nacht hin 
durch mit der Behandlung gegen Kolik fort. Am andern Morgen früh wurde 
mir der noch andauernde, ungewöhnlich hartnäckige Fall gemeldet, und ich sah 
mir das Tier selbst an. Gelblich gefärbte Bindehaut und Fieber waren vor-
	        
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