Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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geöffneten Fenster, Klystiere. Hierdurch gelang es, die Heftigkeit des Anfalles wesentlich 
abzuschwächen, sowie die Dauer desselben erheblich zu verkürzen. Patientin, welche sonst 
mehrere Tage lang schwer zu leiden hatte und bettlägerig blieb, konnte schon nach einigen 
Stunden etwas Nahrung nehmen und am nächsten Tage Bett und Zimmer verlassen. 
2. Ein anderer erwähnenswerter Fall betrifft einen Herrn, welcher schon seit einigen 
Jahren an der Zuckerkrankheit leidet, deren Folgezustände den Kranken trotz mehrfacher 
Kuren, auch solcher in Karlsbad, immer mehr heruntergebracht halten, sodaß.er endlich noch 
einen letzten Versuch mit dem Naturheilverfahrcn zu machen sich entschloß. Der Versuch 
wurde von dem besten Erfolge gekrönt. — Auch hier trat zunächst ein hochgradiges Asthma 
neben außerordentlicher Abmagerung und fühlbarem Krästeverfall in den Vordergrund der 
Krankheitserscheinungen. Ter hohe (5) Prozentgehalt des Urins an Zucker machte sich schon 
durch den obstartigen, süßlichen Gährungs-Geruch aus dem Munde des Kranken bemerklich, 
die Stimme war belegt, das Atmen mühsam und röchelnd, der Puls beschleunigt, die Ver 
dauung gestört. Während unter der Behandlung, welche besonders in Abreibungen, 
Halbbädern, nächtlichen Packungen und Massage bestand, ohne bezüglich der Diät, besonders 
was mehlhaltige Substanzen betrifft, (Schrotbrod!) irgend wie rigorös zu sein (vegetarische 
Kost, saure Milch), der Prozentgehalt des Zuckers im Urin sank, hob sich im gleichen Ver 
hältnis das Allgemeinbefinden und der Kräftezustand. Bei dem Verlassen der Anstalt nach 
mehrwöchentlicher Kur fanden sich im Harn nur noch Spuren von Zucker, und der Kranke 
erfreut sich, wie er berichtet, auch zur Zeit noch eines Wohlbefindens, wie er es nicht mehr 
zu erwarten gewagt hatte. 
3. Anfangs August wurde eine 54jährige schwerkranke Frau von ihren Angehörigen 
in die Anstalt gebracht. Dieselbe soll bereits früher zu wiederholten Malen und immer 
längere Zeit an der Rose gelitten haben. Der Krankheitsbefund bei der Aufnahme war 
folgender: Gerötetes Gesicht, lederartig trockene, rauhe Zunge, Puls l20, Temperatur 39,4 
(in der Achselhöhle gemessen). Die ganze rechte untere Extremität stark geschwollen, die 
Haut dunkel blaurot gefärbt, teilweise mit großen Blasen bedeckt (namentlich an der Fuß 
sohle und Wade), aus denen sich zähe Flüssigkeit entleert (Blasenrose). Haut und Unterhaut 
zellgewebe sulzig durchtränkt, die Oberhaut läßt sich in langen Fetzen durch leichtes Streichen 
mit dem Finger förmlich abwischen. Brennende Schmerzen, Unfähigkeit, sich zu bewegen, starker 
Durst, Stuhlverstopfung und Samnolenz (Schlafsucht) abwechselnd mit leichten Fieberdelirien 
vervollständigen das Krankheitsbild einer ausgebreiteten rosenartlgen Entzündung, welche sich nach 
einigen Tagen auch über den ganzen Oberschenkel wandernd bis zur Hüfte erstreckt und auf das 
Gesicht überspringt (Wanderrose). Die Temperatur erreicht zu dieser Zeit 40,1 in der Achselhöhle 
(Abends) und hält sich auch morgens auf ziemlich gleicher Höhe (39,5), ebenso bleibt die Puls 
frequenz eine sehr hohe (110—130). Hervorzuheben ist noch die auffallend starke, krampfaderartige 
Erweiterung auch der kleineren Hautblutadern, welche ein feinmaschiges deutlich sichtbares 
Gefäßnetz bilden, sowohl in der Haut der Beine als auch des Unterleibes; an einzelnen 
Stellen finden sich handtellergroße, ziemlich harte Infiltrationen. Die Kranke wird mehrmals 
täglich kühl abgewichen, das ganze Bein in große, vierfache, feuchte 25° Tücher eingeschlagen, 
die je nach der Erwärmung gewechselt werden. Die Kreislaufstörung war aber so erheblich, 
daß z. B. das andere Bein besserer Erwärmung halber in Watte gehüllt werden mußte; 
auch Wärmkruken wurden nötig. Im späteren Verlaufe der Krankheit, deren Schwere z. B. 
auch durch drohenden Druckbraud (trotz Luftkissen) sich kundgab (man hatte den Eindruck 
eines schweren typhösen Fiebers), fiel zwar die Temperatur ganz allmählig, es kam aber, 
nachdem dieselbe schon zur Norm zurückgekehrt war, nochmals zu einer Fiebersteigcrung bis 
auf 39,1 (in der Achselhöhle) unter gleichzeitiger erneuter Ausscheidung von Krankheitsstoffen 
hoch oben am Gesäß. Auch die Zunge wurde wieder ganz trocken, trotzdem unausgesetzte 
Zufuhr von frischem Wasser (theelöffelweise) von Anfang an stattfand. Die Packungen 
mußten dementsprechend höher hinauf gelegt werden. Die Abwaschungen konnten später 
durch laue Bäder ersetzt werden, welche äußerst wohlthätig wirkten. Der Stuhlgang wurde 
durch entleerende Klystiere geregelt, außerdem kühle Bleibeklystiere gegeben. Die Diät be 
stand Anfangs nur aus verdünnter Milch und frischem Obst: das Fenster war Tag und 
Nacht offen. Am 12. Tage der Behandlung tritt ein so plötzlicher und auffallender Tempe 
raturabfall ein (bis auf 35,7' in der Achselhöhle) zugleich mit starker Verlangsamung des 
sehr kleinen Pulses, Schüttelfrost und Erbleichen der Hautdecke, (Collaps), daß die Ein 
packungen durch Watte-Einwickelungen ersetzt wurden und etwas Wein gereicht werden mußte. 
Bald hob sich der Puls, die Temperatur stieg allmählig (bis 36,7), hielt sich auf diesem 
niedrigen Stande 2 Tage lang, um endlich die normale Höhe von 37,2 zu erreichen und zu 
behalten. Starker Appetit stellte sich ein, die Zunge wurde feucht, das Durstgefühl ver 
minderte sich, der Stuhlgang erfolgte spontan. Die Kranke schlief viel, bekam reichliche 
Nahrung (zunächst nur Milch, dicke Suppen, trockene Gemüse, später auch Fleisch und etwas 
Wein), und erholte sich auffallend schnell. Dabei schälte sich die Haut des ganzen Beines, 
ja selbst die harte Haut der Fußsohle löste sich langsam in dicken Hornplatten ab, so daß 
dieserhalb das Gehen zunächst noch erschwert und schmerzhaft war. Von den Ihrigen so
	        
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